Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven
Gläubigern dann doch zu bunt: Im Zuge eines aufsehenerregenden Prozesses öffnet man ihren Tresor. Er ist völlig leer - die Erbschaft eines englischen Edelmannes hat es nie gegeben.
»Runde Zahlen sind immer falsch.«
SAMUEL JOHNSON
V. VERHALTENSKONTROLLE
Von Pinocchio, dem wohl berühmtesten Lügner schlechthin, war schon die Rede. Er gibt uns einen Hinweis darauf, wie man Vertreter seiner Zunft entlarvt: Zwar wächst dem Menschen leider nicht die Nase in die Länge, wenn er flunkert, aber eine andere wesentliche Eigenschaft Pinocchios teilt der lügende Mensch - sofern er nicht ausgerechnet Thérèse Humbert heiÃt - durchaus: Er ist hölzern.
Wie im Kapitel über Stress und Stresserhöhung erörtert wurde, erwecken Lügner meist den Eindruck, dass sie angestrengt nachdenken und sich fortwährend selbst kontrollieren - kein Wunder, ist ihnen doch bewusst, dass sie jederzeit entlarvt werden könnten.
Wenn man seiner Sache sicher ist, richtet man die Aufmerksamkeit auf die AuÃenwelt. Eine selbstsichere Frau fragt sich bei einem Date nicht ständig, wie sie auf den Mann wirkt, sondern eher, ob er ihr überhaupt gefällt. Der Vermieter der palastartigen Altbauwohnung grübelt beim Besichtigungstermin nicht pausenlos darüber nach, ob den Interessenten das Objekt zusagt, sondern überlegt vielmehr, ob sie denn seine Kriterien erfüllen, ob es sich also um verbeamtete, untrennbar verheiratete und nichtrauchende Haustiergegner handelt. Das eigene Verhalten wird weder der Vermieter noch die selbstbewusste Frau scharf kontrollieren.
Ein Lügner kann sich seiner Sache nie sicher sein. Deshalb richtet er seine Aufmerksamkeit auf sich selbst: Er kontrolliert
seine AuÃenwirkung. Da er jede Geste und jedes Wort streng überwacht, wirken seine Handlungen bedächtig. 1 Er bewegt sich langsamer und sparsamer als ein Mensch mit gutem Gewissen, spricht zögerlicher, überlegter und vor allem weniger detailliert - es fehlen Einzelheiten und Ausschmückungen. Der Eindruck, den der Lügner insgesamt erweckt, lässt sich - Sie ahnen es schon - mit einem Wort umschreiben: hölzern.
In diesem Kapitel werden die typischen Auswirkungen dieser Verhaltenskontrolle unter die Lupe genommen - und zwar sowohl die körperlichen Merkmale als auch die inhaltlichen Folgen der ständigen Selbstüberwachung.
Körperliche Merkmale
Wie sehr der Lügner auch versucht, sich perfekt zu verhalten: Er kann nicht alle körperlichen Regungen kontrollieren, was zu den bereits besprochenen Disharmonien führt. Vielleicht ist man sich dieses Problems instinktiv bewusst, wenn man die Unwahrheit sagt - jedenfalls neigen Lügner dazu, Bewegungen lieber ganz zu vermeiden, statt sich durch unpassende Gesten zu verraten. Die Hirnforschung bestätigt dieses Phänomen: Sie hat gezeigt, dass das Lügen eher von den oberen Hirnhälften gesteuert wird, was zwangsläufig zu einer Abnahme unruhiger Bewegungen führt; Schuldgefühle vermindern Bewegungen ebenfalls. 2
Tatsächlich muss diese Steifheit kein Nachteil sein: Ungeschulte Beobachter glauben, Lügner würden zum Zappeln neigen. Das wiederum wissen Lügner und bemühen sich daher umso intensiver, sich ruhig zu verhalten und auf unnötige Bewegungen zu verzichten - womit sie das ungeschulte Auge täuschen mögen, Sie, die Sie dieses Buch aufmerksam
gelesen haben, aber natürlich nicht mehr hinters Licht führen können. Denn ein gewisses Maà an Bewegung beim Sprechen ist normal; die Körpersprache von Lügnern aber wirkt extrem kontrolliert und steif. 3
So sind Hand- und Fingerbewegungen von Lügnern in der Regel stark eingeschränkt; vor allem Gesten, die normalerweise verwendet werden, um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen, treten vermindert auf. Auch die Bewegungen des Kopfes fallen geringer aus. Das Gesicht wirkt ausdruckslos, das gesamte Verhalten desinteressiert und gleichgültig. Im Widerspruch dazu stehen eine angespannte Körperhaltung und Stimme. Diese Anspannung lässt den Gesichtsausdruck weniger freundlich erscheinen: Das Kinn ist leicht gehoben, die Lippen aufeinander gepresst, die Pupillen erweitert.
Man muss sich nicht jedes Indiz merken; wesentlich ist, dass der Körper, das Gesicht und auch die Stimme angespannt und steif wirken. Es ist wie bei einer öffentlichen Rede: Wenn man mit starkem Herzklopfen ans Podium tritt, ist man viel zu
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