Durchschaut - Das Geheimnis, kleine und große Luegen zu entlarven
nichts als die Wahrheit - ein höheres Ziel kann man sich kaum vorstellen. Um es zu erreichen, muss man allerdings die aggressivste Methode des Befragens in Kauf nehmen: Dem Lügner wird offen klargemacht, dass man ihn für einen solchen hält - das Misstrauen tritt klar zutage. Für den Verhörexperten Christopher Dillingham ist es besonders wichtig, dabei eine dominante und selbstsichere Körperhaltung einzunehmen: Er stellt sich mit den FüÃen parallel in Schulterbreite vor den Befragten und sagt: »Ich weiÃ, dass Sie mich in dieser Sache belügen. Wir müssen darüber reden.« Wie schon bei den Köderfragen erweckt er als Erstes den Eindruck, bereits Bescheid zu wissen, und macht gleichzeitig deutlich, dass hier ein gemeinsames Problem vorliegt. Natürlich darf er dabei niemals preisgeben, was er wirklich weiÃ.
Nun muss man sich zwischen zwei effektiven Möglichkeiten entscheiden: Entweder bietet man dem vermeintlichen Lügner einen Ausweg an - oder man mimt Verständnis.
Zwei Wege: Gut und Böse
Betrachten wir zunächst die erste Möglichkeit: Nachdem immenser Stress aufgebaut wurde, wird ein scheinbar einfacher Ausweg aufgezeigt: »Wenn du diesen, den ehrlichen Weg wählst, wird alles gut«, so die Botschaft an den Lügner. Anders ausgedrückt: Du musst nur die Wahrheit sagen, und schon hat der unerträgliche Stress ein Ende.
»Sie können all dem ein Ende bereiten, indem Sie reden ⦠Je gröÃer Ihr Widerstand, desto unbequemer wird Ihr Leben werden. Deshalb: Reden Sie mit mir. Machen Sie uns jetzt das Leben leicht.« So beschreibt der britische Verhörspezialist John Hughes-Wilson dem englischen Journalisten Dominic Streatfeild eine seiner wichtigsten Techniken beim Verhören. Der Verhörte weià nun, dass er dem Stress entfliehen kann, indem er den Mund aufmacht. Einige Verhörende gehen noch weiter und reden dem Verdächtigen ein, dass er sich zwischen Gut und Böse entscheiden müsse. Wählt er die Wahrheit, verschwindet der Druck, und alles ist gut. Entscheidet er sich aber für die dunkle Lügenwelt, wird der Stress so lange erhöht, bis er doch die Wahrheit spricht.
Dazu wieder Hughes-Wilson: »Das Ziel ist es, sich bis zu dem Punkt vorzuarbeiten, an dem der Gefangene Ihnen alles sagen will, weil er keinen anderen Ausweg mehr sieht. Was meiner Erfahrung nach üblicherweise geschieht, ist nicht, dass die Leute heulend zusammenbrechen und sagen: âºIch sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen!â¹ Es ist eher wie bei einem überlangen Marathon. Ihnen geht der Dampf aus.
Sie sind einfach müde, sie sind völlig ausgepumpt. Ihnen sind keine Lügen mehr geblieben, die sie noch erzählen können.«
Auch im Alltag kann man dem Gesprächspartner klarmachen, dass der Stress rasch vorbei sein könnte, wenn die Wahrheit auf den Tisch kommt, und dass die Wahrheit immer besser ist als die Lüge - etwa indem man sagt: »Wenn du noch länger darauf beharrst, zieht sich das Ganze ewig hin, bis unser Verhältnis total vergiftet ist. Hast du wirklich Lust, dich monatelang zu streiten? Gib deinen Fehler einfach zu, dann ist die Sache ein für allemal erledigt.« Diese Technik, die negativen Konsequenzen einer Entscheidung deutlich herauszustellen, können Sie im Ãbrigen ganz allgemein anwenden, um jemanden von etwas zu überzeugen.
Die Lüge über das Foltern
Bereits im 14. Jahrhundert wurden im Directorium Inquisitorium des GroÃinquisitors von Aragon, Nicolaus Eymerich, Foltermethoden geschildert, die einzig einen Zweck verfolgten: die »Wahrheit« zu erfahren. Der Hexenhammer aus dem Jahre 1486 entwickelte sich zum Standardwerk der Barbaren im Ketzerwahn. Schon früh wurden auch subtilere Methoden erdacht: Im 16. Jahrhundert entdeckte der italienische Rechtsgelehrte Hippolytus de Marsiliis den Schlafentzug, die sogenannte Tormentum Insomniae. Sein französischer Kollege Jean de Grèves verfeinerte die Methode: Wenn man einen Nasenflügel des Häftlings durchbohrt und einen mit Teer imprägnierten Zwirnfaden daran befestigt, stellte er fest, könne man den Gefangenen mittels eines einfachen Ruckes wecken.
Folter, diese extreme Form der Stresserzeugung, ist nicht nur bestialisch - sie ist noch dazu völlig nutzlos: Ein Gefolterter liefert keine zuverlässigen Informationen - entweder schweigt er weiterhin oder er bestätigt alles, um
Weitere Kostenlose Bücher