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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Affekt getötet hätte. Aber auf diese Art und Weise? Den Schwanz abschneiden?» Er schüttelte energisch den Kopf.
    «Stimmt es also, das mit seinem …?»
    «Die Mädchen erzählen es, heisst es … Ich weiss es nicht. Es interessiert mich auch nicht.» Er trank sein Bier aus.
    Ich bestellte noch eine Runde.
    «Du willst also sagen, das ist nicht eure Art, jemanden zu beseitigen?»
    «Diese Art von Verstümmelung? – Das ist nicht unser Stil.»
    Ich schwieg und sah den Chilenen zu, die sich tapfer wehrten. Nachdem die Kellnerin die Stangen hingestellt hatte, sagte ich: «Mir ist aus gesicherten Quellen bekannt, dass Slavkovi ć Drohbriefe erhalten hat. Er war überzeugt, der Verfasser sei ein Muslim, ein Kosovare oder ein Bosniak.»
    Faruk winkte ungeduldig ab. «Slavkovi ć war ein Irrer, ein Psychopath! Der hatte eine akute Islamophobie …»
    «Abgesehen davon, warum könnte er sich sonst noch vor euch gefürchtet haben?»
    «Weil er uns um unser Geld betrog! Er zockte schamlos ab – er wusste, wir hatten keine andere Wahl. Aber du kannst, wenn du willst, es auch vor einem historischen Hintergrund betrachten: Die serbischen Nationalisten haben bis heute ihre Niederlage auf dem Amselfeld nicht verkraftet, und für Hinterwäldler wie Slavkovi ć sind Bosniaken und Albaner eben gleichzusetzen mit den Osmanen.»
    Faruk trank und sah nach draussen.
    «Es wird wieder Krieg geben auf dem Balkan, diesmal in Kosova. Man braucht dafür kein Prophet zu sein.»
    Es war an der Zeit, den Ort des Verbrechens aufzusuchen. Ich ass zu Hause eine Kleinigkeit, zog ein frisches Hemd an und ging mir im «Central» Mut antrinken. Kurz vor Beizenschluss brach ich auf.
    Das Cabaret Paradise befand sich im Parterre eines ehemaligen Wohnhauses, das ein wenig von der Strasse zurückversetzt in den Hang gebaut war. Ich hatte zum ersten Mal davon Notiz genommen eines Berichts in der Zeitung wegen, worin behauptet wurde, im «Paradise» arbeiteten minderjährige Tänzerinnen.
    Ich musste um das Haus herumgehen, um den Eingang zu finden. In einem erleuchteten Schaukasten konnte man auf Fotografien das Angebot studieren, das sich in bunten Klamotten aus dem Erotikkatalog präsentierte. Die Mehrheit der jungen Frauen kam aus Osteuropa, aber es waren auch einige Asiatinnen und Lateinamerikanerinnen darunter. Ich steckte mir eine Zigarette an und betrat das Lokal.
    Erwartungsgemäss kam ich durch einen schmalen Gang in einen Raum, dessen Ausmass und Ausstattung sich auf den ersten Blick des indirekten Lichts, der Spotlampen und farbigen Lichterketten wegen nur vage erschloss. Verglaste Stellen des Bodens und der Tanzfläche, die verchromte Theke und eine Menge Spiegel an den Wänden verwirrten mich zusätzlich. Was mich aber überraschte, war, dass das Lokal bis auf zwei, drei an der Bar sitzende Kunden und dem guten Dutzend spärlich bekleideter Frauen leer war. Um mich der eindringlichen Musterung zu entziehen, trat ich an die Theke.
    Kaum hatte ich auf einem Barhocker Platz genommen und ein Bier bestellt, setzte sich eine junge Frau zu mir.
    «Hallo, wie geht es dir?»
    «Gut, dochdoch. Hatte einen strengen Tag heute …»
    Sie neigte den Kopf etwas zur Seite, lächelte und hielt ihre tiefschwarzen Augen auf mich gerichtet. «Bist du zum ersten Mal hier?»
    Ihr Kopf berührte nun fast ihre rechte Schulter. Ihr schwarzes Haar war zu zwei dicken, langen Zöpfen geflochten, ihr Teint dagegen nahm sich auffällig hell aus. Ich tat sie auf irgendeiner Insel im Pazifischen Ozean heim.
    «Man sieht es mir an, nicht wahr?»
    Sie lachte, als hätte ich eben den Witz des Jahres gemacht. Dabei war sie mir so nahe gerückt, dass sich unsere Beine berührten. Ich nahm einen Schluck aus dem Glas und versuchte mir unauffällig wieder etwas Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Sie sagte etwas, was ich nicht verstand.
    Eine dralle Blonde im Glitzerkostüm schickte sich an, zu einem Kuschelrocksong unmotivierte Bewegungen zu machen.
    «Können wir englisch sprechen, mein Deutsch ist nicht so gut.»
    Ich nickte und wunderte mich, wie lächerlich das alles wirkte.
    «Do you like this?»
    «Yeah, sure, it’s really nice …» Ich verzog kennerisch den Mund.
    «You look good, very good …»
    Ich glaubte, nicht recht verstanden zu haben. Die junge Frau blickte erschrocken zu Boden und spielte mit der Schlaufe ihres linken Zopfes. Das sollte süss aussehen und tat es auch. Ich bedankte mich und setzte hinzu, sie habe das Kompliment verdient. Sie nahm es strahlend

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