Durst - Roman
Richtung? Was hast du studiert?»
«Literaturwissenschaften … Musste abbrechen. Mein Vater verlor seine Arbeit. So geht das. – Ich ging nach Deutschland und arbeitete auf dem Bau …»
«Dein Deutsch ist hervorragend, Kompliment … Also, darf ich dir ein paar Fragen stellen?»
Faruk kniff die Augen zusammen. «Verarsch mich nicht. Wenn du kein Künstler bist, kannst du was erleben!»
«Seh ich etwa aus wie ein Polizist?»
Faruk musterte mich eingehend. «Du siehst eher aus wie einer von der Caritas.»
Wie diese Zuordnung zu werten war, konnte ich seinem Pokergesicht nicht entnehmen.
«Ist dir eigentlich bewusst», sagte ich vorsichtig, «dass den Kosovo-Albanern wegen Leuten wie dir ein derart schlechter Ruf vorausgeht?»
Ich hoffte, dass ich nicht zu weit gegangen war.
Aber Faruk blieb ruhig: «Weisst du, in Emmenbrücke, wenn du aus Kosova kommst, spielt es eigentlich keine Rolle, wie du dich verhältst. Du kannst hart arbeiten, Steuern zahlen, die Sprache lernen, dich in der Schule engagieren – und wirst in dem Moment, da du dich und deine Familie einbürgern lassen willst, als Drogen- und Waffenschieber diffamiert.»
Ich war überrascht, dass Faruk davon wusste. Der Fall hatte im Mai vor einem Jahr für Aufsehen gesorgt: Einem Kosovaren, der seit zwanzig Jahren hier lebte, war die Einbürgerung verweigert worden – wegen haltlosen Unterstellungen, wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte. Federführend bei dieser Verleumdungskampagne war ein Kantonspolizist und Einwohnerrat der Christdemokraten. Dieser wurde zwar nachträglich gebüsst, aber das tat seinem Ruf in weiten Teilen der Bevölkerung, wo man ihn als Mahner und Helden feierte, keinen Abbruch.
«Aber eines», stiess Faruk hervor, «sag ich dir: Wenn dieser Ardjan Vahid auch nur einen halbwegs kriminellen Cousin hätte, dieser Hurensohn von einem Polizisten wäre heute nicht mehr am Leben!»
Die letzten Worte hatte er in schneidendem Ton gesprochen. Er griff nach seinem Glas, hielt aber mitten in der Bewegung inne: «Weisst du, Rufmord ist etwas vom Schlimmsten, was einem ehrlichen Mann angetan werden kann.»
Ein Raunen ging durch die Gäste. Der Schiedsrichter sprach den Italienern einen Foul-Elfmeter zu.
Faruk schien das nicht zu interessieren.
Ich vergewisserte mich, dass Roberto Baggio den Penalty verwertete. Dann steckte ich mir eine Zigarette an und hielt Faruk die Schachtel hin. Er lehnte ab.
«Ich hab gehört,» nahm ich das Gespräch wieder auf, «dass die Polizei im Mordfall Slavkovi ć im Umfeld der Kosovaren ermittelt …»
«Dort werden sie den Mörder nicht finden.»
«Slavkovi ć stand im Verdacht, Drogengelder gewaschen zu haben. Weisst du etwas darüber?»
Faruk sah mich an und schwieg. Nur das. Aber es war einschüchternd genug.
«Warum glaubst du,» bezwang ich mich, «dass sie den Mörder dort nicht finden werden? Habt ihr mit ihm zusammengearbeitet?»
Er wandte den Blick, der zu einem Starren geworden war, von mir und holte Luft.
«Du bist ein elender Schnüffler! Was interessiert dich das überhaupt?!»
«Ich bin Schriftsteller, ich möchte vielleicht später darüber schreiben.»
Faruk sah mich prüfend an. «Ich glaube, dass du harmlos bist … Aber es wunderte mich nicht, wenn du ähnlich enden würdest wie Slavkovi ć .»
Ich liess mir nicht anmerken, dass mir diese Worte einen gehörigen Schrecken einjagten. «Kannst du mir nun etwas darüber sagen oder nicht?»
Meine Standhaftigkeit schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen.
«Was willst du wissen?»
«Wo ihr euer Geld hinbringt. Zu Slavkovi ć ? Oder etwa zu Taliqi?»
«Lass bloss Taliqi aus dem Spiel!», blaffte er.
Er beugte sich zu mir vor. «Ja, wir hatten allen Grund, Slavkovi ć zu hassen. Bei den Konditionen, die er verlangte … Aber was blieb uns übrig – zu den Banken können wir nicht, für die sind wir zu kleine Fische; und bei Taliqi haben wir keine Chance. Der scheint gegen die Verlockung leicht erworbenen Geldes resistent zu sein.» Er lehnte sich zurück und tastete nach seinem Gelhelm. «Ich glaube, er ist ein glücklicher Familienvater …»
Ich bemerkte einen merkwürdigen Glanz in seinen Augen.
«Also kann es dich nicht wirklich verwundern, wenn die Polizei in euren Kreisen ermittelt …»
«Sagen wir es so, wobei ich nur für mich sprechen kann: Ich bin, obschon das für mein Geschäft ein Problem darstellt, nicht gerade in Trauer wegen seines Todes. Ich wäre nicht wirklich erstaunt gewesen, wenn ihn jemand im
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