Durst - Roman
ihm zum Verwechseln ähnlich …»
Ich wollte alles hören, was sie über die Beziehung zwischen ihrem Mann und Herrn Brun wusste.
Sie beteuerte, sie könne mir nicht mehr erzählen als beim letzten Mal. Zoran habe von Herrn Brun Geld für das Reisegeschäft erhalten. Kurz vor seinem Tod habe er sich mit ihm gestritten – wegen der Rückzahlung des Kredits, wie sie vermute.
Das genügte mir. Ich brachte dem WC -Rollen-Künstler den Wagen zurück und unternahm eine kleine Wanderung über die Anhöhen entlang der Emme. Gegen sieben traf ich in der Zentrale ein.
Ich fand Anita in Petars Wohnzimmer. Sonst war niemand da. Wir bestellten beim örtlichen Pizzakurier und setzten uns mit den Schachteln hinters Haus. Anita zerlegte ihre Prosciutto in kleine Stücke, derweil ich mir die Arrabbiata doppelt zusammengelegt zu Gemüte führte. Zwischen zwei Bissen erzählte ich, die Witwe habe mir bestätigt, dass Herr Brun mit Guido Brechbühl identisch sei. Dunkle Gewitterwolken bedeckten zusehends den Himmel und nahmen die Dämmerung vorweg. Ein kräftiger Westwind zerrte an der Vegetation und trieb Staubwolken über den Platz. Nachdem wir gegessen hatten, setzten wir uns in die Zentrale.
«Und, was hast du herausgefunden?»
Anita setzte eine wichtige Miene auf, zögerte aber, das merklich dicker gewordene Klarsichtmäppchen zur Hand zu nehmen. «Sag mir zuerst, was du über Brechbühl weisst.»
Da ich einsah, dass ich um dieses Spielchen nicht herumkäme, antwortete ich: «Was soll ich schon über ihn wissen? Er ist mein Verleger – er bringt meine Bücher heraus.»
«Und weiter?» Sie hob die Augenbrauen wie ein Examinator, den die eigene Überlegenheit langweilt.
«Weiter? Nun, er liebt kostspielige Dinge: Autos, Jachten, den Glanz von Gold. Und, ah ja, er konsumiert Kokain.»
«Jaja …», winkte Anita ab, «und sonst?»
Ich dachte nach. «Seine Frau Dorothea ist eine …»
«Seine Frau interessiert mich nicht. Ich will hören, was du über seine Vergangenheit weisst.»
«Vergangenheit … Ich glaube, er hat was mit Gebäuden gemacht, Immobilien oder so. Er muss dort ziemlich gut verdient haben; aber frag mich nicht, ich hab keine Ahnung.»
Nachdem sie sich gemächlich zurückgelehnt und das rechte über das linke Bein geschlagen hatte, sagte sie: «Ja also, Brechbühl ist in Wirtschaftskreisen, insbesondere unter Wirtschaftsjournalisten, alles andere als ein unbeschriebenes Blatt …»
Sie hielt einen Augenblick inne, um die Wirkung ihrer Worte noch zu erhöhen.
Ich verhielt mich gemäss ihrem Drehbuch: «Ah ja?»
Anita nickte. «Mein Kollege vom Wirtschaftsressort konnte nicht weniger als siebzehn Artikel ausfindig machen, die in diversen Zeitungen und Zeitschriften über Brechbühl und seine Geschäfte erschienen waren. Ich hab mir Kopien besorgt, du kannst sie dir nachher anschauen. Aber zuerst will ich versuchen, dir einen kurzen Überblick zu verschaffen.»
Dazu musste ich ihr eine Zigarette und Feuer geben und ihr im Weiteren gebannt in die Augen schauen.
«Also» – wieder dieses angestrengte Rauchausstossen – «beginnen wir von vorn: Brechbühl wuchs in einem Kinderheim auf. Er soll dort insbesondere durch Prügeleien aufgefallen sein, die sich gegen Gleichaltrige richteten. Daneben galt er aber auch als überdurchschnittlich ehrgeiziger Schüler. Über seine Eltern wissen wir so gut wie nichts. Nach der Matura legte Brechbühl ein Zwischenjahr mit diversen Jobs ein: Zügelmann, Türsteher, Lieferwagenfahrer … Anschliessend studierte er einige Semester Wirtschaft an der Uni Bern.»
«Brechbühl war an der Uni? Davon hat er mir nie erzählt …»
«Er hat dir so manches nicht erzählt. Aber hör zu: Bei einem Meeting fällt er Richard A. Wey – du hast bestimmt schon von ihm gehört – durch seine forsche, umtriebige Art positiv auf. Wey bietet Brechbühl eine Stelle in seiner Immobiliengesellschaft an.»
Anita tippte ein paar Mal mit dem Zeigefinger auf die Zigarette, ohne dass sich dadurch auch nur ein Stäubchen Asche löste.
«Und wie das so ist – wer erst einmal Zugang zu einer geschlossenen Gesellschaft hat, dem stehen alle Türen offen: Brechbühl fungiert in der Folge als Anlageberater bei verschiedenen Finanzunternehmen, bekleidet Verwaltungsratsmandate in den Firmen von Bekannten, hält Beteiligungen an über einem Dutzend Privatbanken, Versicherungs- und Investitionsgesellschaften.
Anfang der Achtzigerjahre macht Brechbühl zum ersten Mal schweizweit Schlagzeilen. Er
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