Durst - Roman
siebenundachtzig zusammen mit Brechbühl im Vorstand einer Zürcher Privatbank. Brechbühl und Eicher kennen sich also bereits seit mehreren Jahren. Und noch ein weiteres Detail: Ackermann, Schwiegersohn des höchsten kantonalen Drogenfahnders Furrer und ehemaliger Verwaltungsrat von Slavkovi ć s Dobrex-Holding, präsidierte jahrelang mit Eicher zusammen den Verwaltungsrat der Investment Bank of Europe … Zusammengefasst … Moment, ich mach dir eine Skizze …»
Anita wendete die Kopie der Ansichtskarte und liess sich von mir einen Kugelschreiber reichen. «Also, hier haben wir Kolumbien, von wo der Stoff geliefert wird … einem Grossdealer in Europa, vielleicht in der Schweiz …»
Sie notierte am rechten Rand «Kolumbien», zog einen Pfeil nach links oben, den sie mit «Drogenlieferung» überschrieb, zum Wort «Grossdealer»:
«Der Grossdealer gibt die dafür zu bezahlende Summe Brechbühl …»
Sie zeichnete einen Pfeil nach links unten zu «Brechbühl», überschrieb ihn mit «Zahlung».
«Dieser gibt sie weiter an Slavkovi ć –», Pfeil hinunter zu «Slavkovi ć ».
«Von dort gelangt sie über sein Konto bei der UBS … zur Dobrex-Holding … und ihrem Verwaltungsrat Ackermann …», Pfeil nach links unten, «und endlich über weitere Stationen zum Lieferanten.» Sie zeichnete einen Pfeil nach rechts oben zum Wort «Kolumbien», womit der Kreislauf geschlossen war.
«Weiter haben wir die Bekanntschaft von Ackermann mit Eicher und seine familiäre Beziehung zu Furrer …», sie schrieb unterhalb von «Ackermann» die Namen von Furrer und Eicher und zog je einen Strich hinauf zu «Ackermann», «und Brechbühls Bekanntschaft mit Eicher.» Sie führte einen Bogen von «Brechbühl» zu «Eicher» aus. Sie hielt mir das Diagramm hin. Ich betrachtete es eine Weile und gab ihr das Blatt wieder zurück.
«Ich hab mir Fotos von Furrer und Ackermann besorgt und sie mit den zwei anderen nachträglich eingesetzten Fotos im Kassenbuch verglichen … Jetzt kannst du mal raten.»
«Sie stimmen überein?»
«Genau. Slavkovi ć war ein schlauer Fuchs. Er wusste, sie wollten ihn im Stich lassen, und versuchte der Staatsanwaltschaft gezielt Hinweise zu geben. Wenn es schon ihn die Freiheit kosten sollte, dann aber mit Sicherheit auch sie. Nur hatte er die Rechnung ohne Eicher gemacht.»
«Du hast erwähnt, er sei überraschend anstelle eines amtierenden Staatsanwalts gewählt worden?»
«So ist es. Wenn ein Staatsanwalt nicht zurücktritt, wird er rein routinemässig alle vier Jahre vom Grossrat in seinem Amt bestätigt. Dir ist vielleicht bekannt, dass die sechs Sitze im Kanton Luzern nach Parteienstärke verteilt werden. Eicher kandidierte für die FDP , als Ersatz für Rosengarten, ebenfalls Parteimitglied der FDP . Rosengarten aber hatte bei einigen bürgerlichen Politikern für Unmut gesorgt, weil er im Unterstützungskomitee eines grünen Regierungsratskandidaten vertreten gewesen war. Obwohl also seine Abwahl alles andere als üblich war, kam sie für Beobachter nicht völlig überraschend.»
Faruk hatte sich in der Zwischenzeit in Petars Wohnung umgezogen und setzte sich nun zu uns. Er reichte mir ein Bier. Ich hatte eigentlich vorgehabt, heute nicht zu trinken, aber ich konnte das jetzt gut vertragen. Ich strengte meinen Verstand an, um den Vorteil wettzumachen, den Anita durch ihren Wissensvorsprung hatte. Aber ich sah schon, ich kämpfte auf verlorenem Posten.
«Darf ich dir meine Schlussfolgerung mitteilen?»
«Ich werd dich wohl kaum daran hindern können.»
Sie überhörte den ironischen Unterton und schöpfte Luft. «Slavkovi ć wurde von Brechbühl angehalten, die Buchhaltung zu vernichten. Dabei könnte Slavkovi ć die Nerven verloren haben – vielleicht weigerte er sich, dieser Forderung nachzukommen. Wie auch immer, die Situation eskalierte. Ich bin sicher, er hat Brechbühl gedroht, mit allem, was er wusste, vor Gericht auszupacken. Darauf, so schliesse ich, haben Brechbühl, Eicher, Furrer und Ackermann beschlossen, Slavkovi ć unschädlich zu machen. Er konnte ihnen wirklich gefährlich werden. Natürlich hatten sie ihn über manches im Dunkeln gelassen. Trotzdem muss es Slavkovi ć gelungen sein, über ihre Verbindungen Kenntnis zu gewinnen – wie die drei abgeänderten Pässe mit den Fotos von Brechbühl, Furrer und Ackermann belegen.»
«Sie beauftragten also, wenn ich deine Theorie ausführen darf, einen Berufskiller, der Slavkovi ć beseitigen und das Verbrechen nach einem
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