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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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wiederholen, nur weil es gut war.»
    Er legte den Kopf in den Nacken. «Eigentlich seh ich das genau gleich. Ja, Mann, sie hat mir eigentlich die Worte aus dem Mund geklaut … Aber als ich sie heute sah, in der Zentrale … shit … wie soll ich das … Verstehst du das? Du verstehst das? Ist doch eigentlich ganz normal, dass man da noch etwas spürt, man ist ja schliesslich … schliesslich keine Maschine.» Er liess den angesengten Filter zu Boden fallen. «Aber ich kann damit umgehen, easy Mann, ich bin schliesslich genauso. Frei und unabhängig und für jedes Abenteuer zu haben.»
    «Hast du die Sternschnuppe gesehen?»
    «Sternschnuppe? Nein, Mann … Sie ist einfach tierisch sexy, weisst du … Warum ist eigentlich zwischen euch nie – du weisst schon.»
    «Habt ihr euch darüber unterhalten?»
    Er grinste schelmisch. «Komm, Mann, lass uns zurückgehen.»
    Anita und Faruk schienen nicht bemerkt zu haben, dass das Feuer beinahe erloschen war, so angeregt hatten sie sich unterhalten. Petar legte Holz nach und fachte die Glut an. Dabei kippte er fast ins Feuer und brach in ein lang anhaltendes Gelächter aus. Als er sich nach Mitternacht verabschiedete, konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten.
    Während Minuten sagte niemand ein Wort. Es war, als ob das Zirpen der Grillen orchestral anschwoll. Schliesslich brach Anita das Schweigen: «Komm, wir erzählen uns Gruselgeschichten!»
    Sie sah mich erwartungsvoll an. Ihre Gesichtszüge waren im flackernden Schein des Feuers ganz verändert.
    «Du beginnst!»
    «Eine Gruselgeschichte? Ich weiss gar nicht, ob ich so eine kenne …»
    «Dann musst du dir halt eine ausdenken!»
    «Mmh, vielleicht … Aber die kennt ihr bestimmt. Die Geschichte vom Ritter Blaubart und der verbotenen Kammer …»
    «Ich nicht. Kennst du die?»
    Sie stiess Faruk an.
    Er verneinte lächelnd.
    «Also, dann schiess mal los! Die Geschichte vom Ritter mit der verbotenen Kammer.»
    Ich horchte eine Zeit lang in die Nacht hinaus und fing dann an, mit gedämpfter Stimme zu erzählen. Während ich mich Satz für Satz vorantastete und das Panorama der Erzählung ausbreitete, begann es mich selbst ein wenig zu schaudern. Nachdem ich geendet hatte, sagte eine Weile lang niemand ein Wort. Es war kühl geworden.
    Auf dem Weg in die Zentrale erinnerte mich Anita daran, dass sie mir noch ihre Entdeckung zeigen möchte. Ich rauchte und legte die leeren Flaschen in den Einkaufswagen, während Anita in einem Ordner blätterte.
    «Also hier – einmal.»
    Ich beugte mich über den Ordner und folgte ihrem Zeigefinger, der auf die Kopie einer Niederlassungsbewilligung wies. Sie gehörte einem gewissen Milan Č an č ar. Ich verstand nicht, was daran aussergewöhnlich sein sollte.
    «Schau genau hin!», sagte Anita aufgeregt.
    «Ich kann daran nichts Besonderes erkennen.»
    «Der Stempel! – Der Stempel fehlt!»
    Ich setzte mich hin und nahm den Ordner in die Hand. Dann verglich ich die Kopie mit der eines anderen Passes. In der Tat: Der Stempel, ein farbloser Abdruck, der ein Relief in die Fotografie stampfte, fehlte. Offensichtlich war die Fotografie nachträglich in den Ausweis eingesetzt worden.
    «Ein gefälschter Pass!»
    «Und das ist nicht der einzige!»
    Sie nahm mir den Ordner wieder aus der Hand und blätterte.
    «Hier, noch einer.»
    Ich ging näher und nickte.
    «Und hier …», wieder begann sie zu blättern.
    «Moment mal!» Ich hatte beinahe geschrien. «Lass mich den noch einmal sehen!»
    Anita schlug die Seiten zurück und hielt mir den Ordner hin.
    Ich studierte die Fotografie und las den Namen.
    «Was hast du? Was ist los?!»
    «Der Name! Er stimmt nicht mit dem Foto überein …»
    «Wie kommst du darauf?! Was willst du damit sagen?!»
    «Das soll heissen, dass ich diese Person kenne.»
    Ich ging auf einem langen Flur. Links und rechts Türen, dazwischen düstere Porträts von Männern mit Bärten, langen Haaren und weissen Halskrausen. In den Mauernischen standen Ritterrüstungen, Büsten und Waffen aus der Zeit, bevor das Schwarzpulver bekannt wurde. Augenblicklich dämmerte mir: Ich befand mich in Ritter Blaubarts Schloss. Niemand war zu sehen. Trotzdem wurde ich den Eindruck, beobachtet zu werden, nicht los. Ich ging weiter auf dem nackten Steinboden. Meine Schritte hallten. Nur noch wenige Meter bis zum Ende der Zimmerreihe, wo ich endlich vor einer eisernen Tür zum Stehen kam. Gegen meinen Willen griff meine rechte Hand nach der Klinke. Lautlos ging die schwere Tür auf. Ohne

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