Durst - Roman
hatte die Schläger einer Motorradgang angeheuert, um eine Gruppe Hausbesetzer aus einer Liegenschaft in Genf zu prügeln. Einige der jungen Leute mussten hospitalisiert werden. Das brachte ihm eine Klage wegen Körperverletzung samt saftiger Busse ein.»
Ich trank meinen Kaffee aus und schob die leere Tasse zur Seite. Es fiel mir schwer, die Person, von der Anita erzählte, mit meinem Verleger in Übereinstimmung zu bringen. Zudem irritierte mich, dass sie ihre Zigarette nach jedem Zug von allen Seiten betrachtete. Ich fixierte das Tito-Porträt über ihrem Kopf und versuchte, den weiteren Ausführungen zu folgen.
«Mitte der Achtzigerjahre gründet Brechbühl seine eigene Investmentgesellschaft. Er startet mit einem Kapital von zwei Millionen Franken, das ihm ein Genfer Privatbankier unter Vermittlung Richard A. Weys gewährt. In den nächsten Monaten und Jahren macht Brechbühl von sich reden, weil er quer durch alle Sparten aufkauft, was sich ihm anbietet. Um nur einiges zu nennen: eine belgische Möbelfabrik, Ferienliegenschaften in Spanien und Frankreich, einen italienischen Fleischwarenerzeuger, eine deutsche Reedereigesellschaft und so weiter. In der Schweiz selber etliche Immobilien, eine Maschinenfabrik, eine private Radiostation, Beteiligungen an diversen Zeitschriften und anderen Medienunternehmen. Das Kapital seiner Swiss- Fun-Holding wird laufend aufgestockt von fünf auf zwanzig und hundert Millionen Franken. Wirtschaftsbeobachter und Branchenkenner wundern sich über seine Strategie. Du musst wissen, normalerweise versuchen Investoren ihre Geschäfte nach Verwandtschaften zu bündeln, also Monopole zu schaffen. Aber noch mehr rätseln die Experten über die Herkunft der investierten Millionen.»
Anita machte eine kurze Pause, um sich die Zigarette an den Mund zu führen, zog dann aber doch nicht daran.
«Doch genau so schnell wie sein kometenhafter Aufstieg kam auch sein Fall: Die Tessiner Staatsanwaltschaft eröffnet Ende der Achtzigerjahre gegen Brechbühl ein Verfahren wegen des Erwerbs eines grossen Hotelkomplexes in Lugano – Verdacht auf Insidergeschäfte. Zudem vermutet sie, Brechbühl könnte in die italienische Force-Schmiergeldaffäre verwickelt sein, die zu der Zeit Furore macht. Der Staatsanwaltschaft gelingt es jedoch nicht, Licht in die verwickelten Geldströme zu bringen, die über unzählige Offshore-Gesellschaften laufen. Sie muss Brechbühl mangels Beweisen freisprechen.
Aber seinem Ruf hatten die erneuten Schlagzeilen erheblich geschadet. Es wird ihm nahegelegt, aus der Direktion seiner Swiss-Fun-Holding auszutreten; Brechbühl gibt Beteiligungen ab und tritt von diversen Verwaltungsratsmandaten zurück. Auch seine Glaubwürdigkeit als Finanzberater hat er eingebüsst. Sein Imperium schrumpft zusammen. Statt wie bisher in einem fort aufzukaufen und zu investieren, muss er eine Beteiligung nach der anderen abstossen. Anscheinend haben seine Geldgeber, die ihn bis dahin in unbeschränktem Mass förderten, kalte Füsse bekommen.
Zu Beginn der Neunzigerjahre zieht er sich aus seiner Swiss- Fun-Holding zurück, die darauf den Namen wechselt. Er hält nur noch indirekte Beteiligungen an einer Handvoll Firmen, sitzt in einigen Verwaltungsräten, gründet, wie du weisst, seinen eigenen Verlag.»
Sie unterbrach sich und beobachtete meine Reaktion. Ich hatte schon Erbaulicheres vernommen.
«Felix, mein Redaktionskollege, vermutet, Brechbühl sei eine Anlaufstelle für Leute, die Geld aus dem Drogen- und Waffenhandel waschen wollen. Durch ihre eigenen Erfolge geraten diese Leute regelrecht in einen Anlagenotstand, weisst du. Sie sind daher immer auf der Suche nach Wegen, das schmutzige Geld in den Kreislauf der legalen Wirtschaft einzuschleusen. Da spielt es keine Rolle, wenn dabei ein Teil des Geldes verloren geht. Wenn zum Schluss gerade noch siebzig Prozent der ursprünglichen Summe zur gefahrlosen Reinvestition zur Verfügung stehen, wird das als Erfolg gewertet. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch Brechbühls Tätigkeit als Herausgeber unrentabler Literatur zu betrachten; ebenso die finanzielle Unterstützung von Slavkovi ć s Reisebüro.»
Ich stiess einen Seufzer aus.
«Du kannst das ja alles noch nachlesen.»
Nachdem sie umständlich die Zigarette ausgedrückt hatte, fragte sie: «Was sagst du dazu?»
«Was soll ich dazu sagen? Ich hab gerade mal die Hälfte verstanden. Aber die Unterstellung, Brechbühl wasche mit meinen Romanen Drogengeld, hab ich sehr wohl zur Kenntnis
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