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Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
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vier, sondern nur noch zwei, die beiden Brüder. Sie sahen fast gleich aus, gleich groß, gleich blond. Martino, der Papa erschossen hatte, kam mit erhobener Pistole auf uns zu. Floriana weinte leise vor sich hin. Das Baby lag auf dem Boden, in ein Geschirrtuch gewickelt… Ich wollte das nicht tun, aber wenn ich es nicht getan hätte… Als ich aus dem Zelteingang zwei Schüsse abgab, fiel er wie ein Sack um. Floriana war in Panik, schmiss sich auf den Boden und zog Gabriel unter sich. «
    » Und was hast du getan? «
    » Nichts, verdammt. Ich habe darauf gewartet, dass der andere… der hier… « , Ulisses wedelte mit der Zeitungsseite vor Matheus’ Gesicht herum, » … na ja, dass er kommen und die Sache zu Ende bringen würde. Ich war bereit, ihn auch noch zu erschießen… « Ulisses unterbrach sich.
    Matheus sagte keinen Ton.
    » Aber weißt du, was der gemacht hat? Er ist hin zu seinem Bruder, der am Boden lag und noch lebte, denn er rief um Hilfe, und hat ihn in den Kopf geschossen. «
    Matheus starrte ins Leere.
    » Ich dachte, dass er uns auch erschießt, aber in diesem Moment kamen die beiden anderen Männer, haben ihn sich geschnappt und gewaltsam fortgeschafft. Wir sind liegen geblieben… wie lange, kann ich nicht sagen. Im Lager war niemand mehr. Wir waren plötzlich vollkommen allein. «
    » Und dann… « , flüsterte Matheus.
    Ulisses knüllte den Artikel zusammen und warf ihn hin, dann setzte er sich wieder aufs Bett. » Ich hatte Angst, dass die Polizei kommen und uns suchen würde. Die Polizei hat diese Leute ja geschützt. Aber es kam niemand, oder vielleicht sind sie auch zu spät gekommen. Wir verließen das Lager und wussten tagelang nicht, wohin. Floriana hatte Verwandte in einer Favela hier in Rio, und so beschlossen wir, dass sie zu denen geht und ich nachkomme. Ich wusste aber, dass dieser Hurensohn mich verfolgen würde, da ich ja Zeuge war, wie er seinen Bruder erschossen hat. Und da ich nicht wollte, dass Floriana und Gabriel etwas geschieht, bin ich nicht zu ihnen zurück. «
    » Warum hast du den Mann denn nicht angezeigt? «
    » Hätte ich ihn angezeigt, hätte man mich eingesperrt, weil ich ja auch geschossen hatte. Man hätte mir die Schuld an allem in die Schuhe geschoben. Du hast ja keine Ahnung, wie das läuft. «
    Matheus war jetzt wieder vollkommen gefasst. » Aber warum Nelson? «
    » Nelson wusste, wo ich mich verstecke. Ungefähr ein Jahr nach der Geschichte habe ich telefonisch Kontakt zu ihm aufgenommen. Ich habe ihm alles erzählt, und er hat gesagt, dass er Floriana hilft. Keine Ahnung, ob er es getan hat… «
    » Hast du ihm denn gesagt, wo du bist? Dass du in Rio bist? «
    » Ja, aber nicht, in welcher Favela. Damals habe ich Crack genommen… Floriana wusste es, aber ihm habe ich einfach gesagt, dass ich in Rio bin. « Er machte eine Pause. » Denen muss klar gewesen sein, dass Nelson es wusste. «
    Ulisses warf Matheus einen zerknirschten Blick zu, wie ein Kind, das sich schuldig fühlt.
    Matheus seufzte. » Sie haben ihn gefoltert… «
    Ulisses brach in Tränen aus. Weinend saß er auf seinem Bett in der Baracke. Matheus rutschte an ihn heran und nahm ihn in den Arm.
    Die Schüsse waren deutlich zu hören, ein trockenes Geräusch, als würde jemand in die Hände klatschen. Ulisses sprang sofort auf. Im Nu schien er sämtliche Kräfte, die seine Krankheit ihm geraubt hatte, wiedergewonnen zu haben. Die Schüsse kamen aus dem unteren Teil der Favela.

50
    Victor da Paz, dreizehn, genannt › Bicicleta ‹ , weil er erstklassige Fallrückzieher hinlegte, nahm seine Aufgabe als Beobachter von Morro dos Cabritos sehr ernst. Seit einem Jahr war er nun schon Beobachter, was bedeutete, dass er bald in die Gruppe der Bosse aufsteigen würde. Seine bevorzugte Waffe waren die Augen. Die Pistole, die in seinen Bermudashorts steckte, fand er aber auch nicht übel.
    Der Indianer hatte Besuch, daher hatte Victor strikten Befehl, die Augen offen zu halten. Wer hätte diese Aufgabe besser erledigen können als er? In horizontalen und vertikalen Linien ließ er den Blick über die Favela gleiten. Von seiner Position auf dem Barackendach überschaute er den Eingang zur Favela an der Tabajaras, und mit einem einzigen Schwenk sah er auch das › Schnapslager ‹ , wie sie den Kiosk nannten, wo sie sich mit Bier versorgten. Beim Schnapslager begann eine der belebtesten Gassen, weil sie direkt zum Drogenumschlagplatz führte. Durch die Parallelgasse waren vorhin die Frauen mit dem

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