Durst: Thriller (German Edition)
Angst vor Komplotten und Verrätern aufreiben zu lassen, während das eigentliche Komplott ganz woanders geschmiedet wurde, am helllichten Tag sogar, da die Regierung die Kakerlaken zusehends legitimierte.
Sicher, der Kommandant hatte den Krieg, den Strazzon und seine Bundesgenossen führten, mehr als großzügig unterstützt. Er war nicht wie all diese anderen, die hinter den Kulissen blieben, wenn sie ihr Geld hergaben, schwarze Schatten in der Finsternis, ängstlich darauf bedacht, nicht gesehen zu werden. Der Kommandant war mit ihnen in die Schlacht gezogen, auch wenn er es, davon war Davide überzeugt, aus anderen Gründen getan hatte als sie. Ihr Kampf war ein Kampf ums Überleben, ihr Schweiß war auf dieses Land getropft, sie hatten den Duft dieser Erde geatmet, diesen Morgennebel in der frostigen Dämmerung, wenn man vor der Sonne aufsteht und nicht weiß, was der Tag einem bringen wird.
Der Kommandant war anders. Er war schon Herr seines Landes gewesen, als er noch nicht einmal geboren war. Er wusste nicht, was es bedeutete, ein Feld für die Aussaat vorzubereiten. Er konnte nicht am Geruch erkennen, ob ein Stück Erde fruchtbar war oder den bitteren Geruch der Sterilität ausströmte. Sie führten verschiedene Kriege, da war sich Davide sicher.
Und jetzt ging der Kommandant eindeutig zu weit. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass die Mannschaft sich verändert hatte. Inzwischen konnten er, Davide, und die anderen Landbesitzer selbst die Mittel für ihren Krieg aufbringen. Der Krieg war jetzt begrenzter, gezielter. Es war ein blutiger, grausamer, wunderschöner Krieg. Und einen wertvollen Soldaten wie Jefferson Souza opferte man nicht den Launen eines dummen Jungen, der sich für Cäsar hielt.
Nein. Davide starrte ins Leere. Seine Kiefermuskeln waren angespannt, und er presste seinen Mund zu einer scharfen Linie zusammen. Mittlerweile war die Sonne hinter den gewellten Hügeln von Paraná untergegangen. Sein geliebtes Land.
Ein paar Minuten blieb Davide so stehen, eingetaucht ins Halbdunkel, bis seine Sekretärin den Kopf zur Tür hereinsteckte und Bescheid gab, dass sie ein bisschen eher gehen würde. Davide verabschiedete sie mit einem hektischen Fuchteln.
Nein, dachte er noch einmal, diesen Befehl würde er nicht ausführen. Er wollte doch mal sehen, was dann geschah.
Der Soldat Jefferson Souza, Hauptmann der Militärpolizei, wusch sich in einem Motel an der Autobahn ein paar Kilometer vor São Paulo die Hände. Langsam massierte er die Seife bis zu den Ellbogen ein. Er liebte seine Tätowierungen, vor allem die am rechten Unterarm, eine gelb-rot-schwarze Kobra. Sie hatte keine dunklen Augen, sondern smaragdgrüne. Die Augen der Kobra waren sein ganzer Stolz, sein kostbarster Schmuck.
Vor vielen, vielen Jahren hatte man ihm auf der Polizeischule beigebracht, dass für einen Polizisten die Augen alles sind. Und das Leben hatte bestätigt, dass es sich um eine unantastbare Wahrheit handelte.
Und nun verspürte Jefferson Souza ein gewisses Unbehagen. Dieser schwarze Mercedes, der ein paar Meter vor dem Motel gestanden hatte, die Scheiben abgedunkelt, hatte ihm gar nicht gefallen. Seine Augen hatten hinter diese Scheiben geschaut. Irgendjemand hatte ihn beobachtet. Aber wer?
Er nahm sein Handy und wählte eine Nummer. » Davide, alles in Ordnung? «
» Jefferson, hallo. Wo bist du? «
» Auf dem Heimweg. «
» Gut. Wir haben wieder Arbeit für dich. «
» Strazzon, gibt es irgendwelche Probleme? «
Davide Strazzon presste sein Handy ans Ohr. » Was meinst du damit, Jefferson? Was für Probleme? «
» Ein schwarzer Mercedes, der sich für mich interessiert, sagt dir das etwas? Du weißt, dass ich nicht der Typ bin, der sich verarschen lässt… «
» Ein…? Nein, absolut nicht. Wovon redest du? «
» Okay, Davide. Wenn ich zurückkomme, sollten wir uns unterhalten. Ich grüße dich. Bis bald. «
Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte sich Souza wieder seiner Kobra zu.
16
Nachdem sie den weißen Sandero hinter der Ecke hatte verschwinden sehen, begab sich Sarah Clarice schnell nach Hause. Die kleine Wohnung, die sie gemietet hatte, lag im obersten Stockwerk eines blau gestrichenen Altbaus mit bröckelnder Fassade. Er stand in einer dieser alten, mit Porphyr gepflasterten Gassen im Zentrum von Salvador, wo sich portugiesische Sobrados mit barocken Kirchen abwechselten. Einige der Kirchen waren halb verfallen und mit Holzbalken verrammelt. Gegenüber ihres Hauses war der Obst- und
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