Durst: Thriller (German Edition)
Gemüseladen einer alten Dame, bei der sie sich täglich mit Lebensmitteln versorgte. Weiter oben, in Richtung des Hauptplatzes von Pelourinho, stand der Wagen einer stets weiß gekleideten Frau, die Spezialitäten aus Bahia verkaufte. Die übrigen Läden zielten vor allem auf Touristen ab; sie verkauften T-Shirts, Statuen der Göttin Yemanjá und Postkarten vom Golf von Salvador.
Bevor sie die Haustür hinter sich schloss, schaute sich Sarah Clarice noch ein paar Mal um. Sie war sich fast sicher, dass die beiden Personen sie verfolgten. Die Wagenräder waren mit Erde verkrustet– es konnte einfach keine zwei Autos geben, die gleich aussahen und auch noch beide schmutzige Räder hatten. Natürlich konnte der Wagen zufällig denselben Weg genommen haben. Das war zwar nicht sehr wahrscheinlich, andererseits aber auch nicht unmöglich. Zu ihrer eigenen Überraschung zitterte ihre Hand, als sie den Schlüssel ins Schlüsselloch steckte. In der Wohnung trank Sarah Clarice erst einmal ein Glas Wasser und versuchte, sich zu beruhigen.
Sie zog die Sandalen aus und legte sich aufs Sofa. Durch die Bambusvorhänge vor den Fenstern fiel gedämpftes Licht herein. Ihr Kopf war schwer, so müde war sie, aber die Aufregung und die wirbelnden Gedanken hinderten sie daran, auch nur die Augen zu schließen.
Ohne es zu merken, glitt sie irgendwann in den Schlaf.
Matheus stand auf der Terrasse und schaute aufs Meer, als sein Handy plötzlich vibrierte. Er hatte sich dazu durchgerungen, es immer mit sich herumzuschleppen, aber den idiotischen Klingelton ausgestellt. Es war reiner Zufall, dass er es jetzt hörte. Mit wenigen Schritten war er im Haus und nahm das Gespräch an.
» Ja? «
» Matheus, hallo. Störe ich? «
» Sandra, hallo. « Matheus setzte sich auf das Korbsofa. » Wie kannst du nur fragen, ob du störst? Geht es dir ein bisschen besser? «
» Ja. Oder vielmehr nein. Keine Ahnung. Ich habe Angst, dass mir das Schlimmste noch bevorsteht, aber im Moment helfen die Beruhigungsmittel. «
Matheus wusste nicht, was er sagen sollte. » Sicher, verstehe. Aber du musst dich aufrappeln, darfst dich nicht hängen lassen… «
» Ich tu, was ich kann. Aber es ist so unerträglich ungerecht. «
» Ja. «
» Verstehst du? Das zu akzeptieren… «
» Ja, ich weiß. Ich weiß. «
» Dein Bruder fehlt mir so unendlich. «
Matheus wollte keine rhetorischen Floskeln von sich geben und schwieg. Irgendwann fragte er: » War alles okay bei der Polizei? Gibt es Neuigkeiten? «
» Nein. Entweder sind das allesamt Idioten, oder sie sind gefährlich. Ich halte sie mir lieber vom Leib, darin habe ich mittlerweile ja schon Übung. «
» Sicher. «
» Aber wo du schon danach fragst, Matheus, deswegen rufe ich an. Die Polizei wollte wissen, ob aus Nelsons Arbeitszimmer irgendetwas entfernt wurde. «
Matheus runzelte die Stirn. » Wer hat das gefragt? «
» Dieser Hauptmann, Araujo. Diese Karikatur eines südamerikanischen Diktators… «
Matheus lachte. » Eines Diktators aus Paraguay, meinst du wohl. «
Sandra sprach leise. Ihre Stimme klang, als hätte sie viel geweint.
» Ich habe es natürlich bestritten, aber hast du vielleicht irgendetwas mitgenommen? «
» Nein, was hätte ich denn deiner Meinung nach mitnehmen sollen? «
» Ich weiß es nicht, aber er war schließlich dein Bruder. Du warst lange in seinem Zimmer. Ich könnte es gut verstehen. «
» Nein, Sandra, ich habe nichts mitgenommen. Hat Araujo gefragt, ob etwas entfernt wurde oder ob ich etwas entfernt habe? «
Sandra zögerte. » Ob du etwas entfernt hast… Er hat mich gefragt, ob du zufällig irgendetwas entfernt hättest. «
» Haben die denn im Haus herumgewühlt? «
» Nein, nein. Sie waren da, aber sie haben nirgendwo herumgewühlt. Ich habe sie gar nicht hereingelassen, sondern ihnen freiwillig ein paar Dinge gegeben, Terminkalender, Arbeitsunterlagen, ein paar andere Sachen… «
» Sarah Clarice sagt, er hatte einen Laptop. «
» Ja, den hatte er immer bei sich, aber der ist verschwunden. Den müssen sich diese Leute unter den Nagel gerissen haben. «
» Hör zu, Sandra, wir haben noch nicht darüber gesprochen, und ich weiß, dass es schmerzhaft ist, aber Nelson wurde gefoltert. Hast du mal darüber nachgedacht? Dieser Polizist aus Sobradinho, Alessio Castro, der mir einigermaßen seriös vorkam, hat gesagt, dass so etwas nicht ohne Grund geschieht. Er hat ein Wort benutzt, das mir nicht aus dem Kopf geht… «
» Was für ein Wort? «
» Er
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