Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
Ordnung?«
Sie guckt hoch und sieht mich. Grinst breit. »Jack hat mir geholfen«, flüstert sie, »und dann hat das Seil geruckelt, und ich wär fast runtergefallen, und Creed ist ins Wasser gefallen.«
»Jack?«, frag ich. »Der hat dich doch bewusstlos geschlagen.«
»Ich hab nur so getan«, sagt sie. »Ich hab dir das Leben gerettet. Wir haben so einen Spaß gehabt!«
»Spaß?«, frag ich.
»Okay, Em«, flüstert Jack neben mir. »Runter mit dir. Schön langsam, wie ich dir gesagt hab. Hab keine Angst.«
»Hab ich nicht«, sagt sie. »Bis nachher.« Und dann lässt sie sich runter, vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter auf Molly und Tommo zu.
Ich guck ihn an. Jack. »Nur so getan?«, frag ich.
»Was Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen«, sagt er. »Ich hab einfach was unternehmen müssen. Sie ist ein wandelndes Pulverfass, das Mädchen. Als sie mich gesehen hat, ist sie ganz aufgeregt geworden, deshalb ist sie auch so ohne nachzudenken aus dem Maisspeicher geplatzt. Ich hab gewusst, dass der andere Kerl jeden Augenblick um die Ecke kommen kann, und ich hab nicht riskieren können, dass ihr was über dich rausrutscht. In dem Augenblick, wo ich sie gesehen hab, hab ich gewusst, dass du in der Nähe sein musst. Ich hab ihr gesagt, sie soll so tun, als ob ich sie geschlagen hätte, und alles andere hat sie getan.«
»Warum bist du nicht am Lost Cause gewesen? Hast du die Nachricht gefunden, die ich dir dagelassen hab?«
»Nein. Ich hab nicht weggekonnt. Ich bin vor ein paar Tagen zu einer anderen Streife verlegt worden. Sie tauschen uns ständig aus, damit sich keine Grüppchen bilden können. Keine Treue zu irgendjemand außer dem Wegbereiter. Wir sind weit weg gewesen. Tut mir leid.«
Maev steht an der Tür, hat den Bolzenschießer draußen und hält Wache. »Saba«, sagt sie, »du gehst als Nächste. Es ist Zeit.«
Mein Herz setzt aus. »Was? Nein, ich muss – warte mal, was ist hier eigentlich los? Warum weiß anscheinend jeder außer mir, was hier los ist? Du gehst als Nächste.«
»Ich geh als Letzte«, sagt Maev. »Das ist mein Einsatz. Wir sind schon zu lange hier.«
»Maev, bitte«, sagt Jack.
»Zwei Minuten«, sagt sie. Sie geht vor die Tür.
Dann sind Jack und ich allein.
W ir stehen am Fenster und gucken uns an. Der Mond scheint zu uns rein.
Ich hol Luft. Mach den Mund auf und –
Jack hat mir einen Arm um die Taille gehakt, mir die andere Hand auf den Mund gelegt und zieht mich an sich.
»Wir haben nicht so viel Zeit, dass du mich anbrüllen kannst oder dass ich dir alles erzählen kann, was passiert ist, also werd ich jetzt nur ganz schnell das Wichtigste abhandeln, und dann werd ich dich küssen«, sagt er. »Ich bin hinter den Kerlen her, die Molly vergewaltigt haben. Eins hat zum anderen geführt und – ich hab da eine Möglichkeit gesehen und bin bei den Tonton gelandet. Ich bin jetzt tief drin. Keiner verdächtigt mich. Ich hab Maev die Nachricht mitgegeben, weil ich gewollt hab, dass du mit mir zusammenarbeitest. Ich wär drin gewesen und hätte dich mit Informationen gefüttert, du wärst draußen gewesen und hättest was draus gemacht. Ein Gespann. Du und ich … wir sind gut zusammen. Wir könnten dran arbeiten, das alles aufzuhalten, bevor es noch schlimmer wird. Aber ich hab gedacht, du würdest allein kommen, du würdest dich wegschleichen. Das kann nur klappen, wenn keiner von mir weiß. Nur du. Ich kann sonst niemand trauen, mein Leben hängt davon ab. Aber hier bist du und hast diesen Riesentrupp dabei, und alle wissen, dass ich kein echter Tonton bin. Sonst hätte ich Alarm geschlagen. Stattdessen hab ich sie zu Emmis Zelle gebracht und die Tür aufgeschlossen.«
Ich wedel mit der Hand, will was sagen.
»Ich bin noch nicht fertig.« Er atmet tief durch. »Ich komm nicht mit euch, Saba.«
Tränen treten mir in die Augen.
»Tut mir leid«, sagt er. »Du bist den ganzen weiten Weg hierhergekommen bloß wegen mir. Aber es hat sich nicht so ergeben, wie ich gehofft hatte. Das ist ein Schuss ins Blaue gewesen. Darin bin ich noch nie gut gewesen. Du gehst mit deiner Familie zum Großen Wasser. Ich möchte, dass du ein gutes Leben hast. Ich bleib hier in der Gegend und tu, was ich kann, um das alles aufzuhalten. Sonst kommen die eines Tages auch in euer Schlaraffenland, und das will ich nicht.«
Ich guck ihn an, während er redet. Seine hohen Wangenknochen, sein Bartschatten, seine herrliche schiefe Nase. Das Grübchen in der Oberlippe. Seine
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