Dustlands - Die Entführung
Hals.
Tut mir leid, sag ich.
Was denn?, fragt er.
Dass ich immer so bin … du weißt schon … so –
Undankbar?, fragt er.
Ja, sag ich.
Streitsüchtig?
Schätze schon.
Unhöflich? Stur? Gewalttätig?
Ich bin doch nicht gewalttätig!
O doch, das bist du. Sogar sehr. Aber ich mag das an einer Frau.
Ich lach. Du bist verrückt, sag ich.
Erst seit ich dich kenne, sagt er.
D ie Sonne steht hoch am Nachmittagshimmel. Wir brechen das Lager ab und suchen unsere Waffen zusammen. Mir fällt wieder ein, wie Emmi mir erzählt hat, dass Hermes auf mich gewartet hat. Dass er nicht hinter den anderen Pferden her ist, als wir sie auf dem See freigelassen haben.
Wo ist Hermes?, frag ich.
Da, sagt Tommo und ruckt mit dem Kopf. Wir haben uns mittlerweile alle an seine Art gewöhnt und verstehen meist, was er meint. Aber Emmi kann offenbar immer noch ein bisschen mehr aus seinen ein, zwei Worten rausholen.
Er meint, er ist schon auf der anderen Seite vom Hügel, sagt sie jetzt. Er wartet auf uns.
Tommo nickt.
Ich hab genau verstanden, was du meinst, sag ich. Danke, Tommo.
Er wird knallrot und läuft weg.
Der Junge hat eine Schwäche für dich, sagt Ike. Und da ist er nicht der Einzige. Ich warte nur auf dein Wort, Schatz.
Weißt du Ike, ich glaub, vielleicht erwärm ich mich doch dafür.
Er guckt erschrocken. Aber nur ganz kurz. Dann grinst er. Du schäkerst doch nicht etwa mit mir, oder?, fragt er.
Ich weiß nicht, sag ich. Doch, kann schon sein.
Schweig still, mein klopfendes Herz!, sagt er.
Okay, sagt Jack, Aufbruch. Zeit zu gehen. Wir müssen los.
Ihr habt alles ausgekundschaftet, ja?, frag ich.
Alles, sagt Ike. Ash, Epona und ich haben das gemacht, als du deinen Schönheitsschlaf gehalten hast.
Wie sieht es da aus?, frag ich.
Ike zwinkert. Kein Problem. Wird das reinste Zuckerschlecken.
Zuckerschlecken! Ash schüttelt den Kopf.
Wartet mal, was ist unser Plan?, frag ich.
Du kennst mich doch, sagt Jack. Ich lass mich nicht gern von Plänen behindern.
Jack!
Immer mit der Ruhe! Ich hab ein paar Ideen, die ich dir vorschlagen will. Aber genau werden wir’s erst wissen, wenn wir sehen, was sie vorhaben. Vielleicht müssen wir … uns auf die Schnelle was einfallen lassen.
Auf die Schnelle!, sag ich. Das ist das Leben von meinem Bruder, worüber du da redest, Jack! Hat sich was mit auf die Schnelle! Du hast gesagt, du hast einen Plan!
Ähm … ich glaub, wir sollten dann mal los, sagt Ike.
Gute Idee, sagt Ash.
Schon laufen sie alle hastig an uns vorbei und verschwinden in der Höhle.
Warum gehen die alle in die Höhle?, frag ich. Du hast gesagt, Freedom Fields ist auf der anderen Seite vom Hügel.
Ist es auch, sagt Jack. Aber es gibt einen Tunnel da rüber, hinten in der Höhle. Eine Abkürzung. Er dreht sich um und will den anderen hinterhergehen.
Ich halt ihn am Arm fest. Wart mal, Jack, wir sind hier noch nicht fertig. Wir brauchen einen Plan. Einen richtigen Plan. Jetzt.
Ich hab dir versprochen, dass wir Lugh da rausholen, sagt er, und ich meine es ernst. Wir holen ihn da raus. Das ist die Hauptsache, egal was sonst passiert. Du hast gesagt, du vertraust mir. Tust du das wirklich? Hier und jetzt. Vertraust du mir?
Ich guck ihm in die Augen. Such nach … irgendwas. Dann seh ich es.
Ich seh ihn. Plötzlich seh ich ihn. Nicht den Jack, der Witze macht und schäkert und mir ausweicht. Den wahren Jack. So wie er … wirklich ist. Die Stille in seinem Innersten. Wie bei stillem Wasser.
Ich hab sie schon mal gesehen, in der ersten Nacht, als wir nebeneinander unter den Sternen gelegen haben. Als ich ihm von Lugh erzählt hab und er versprochen hat, dass wir ihn finden. Und genau das ist es. Den wahren Jack habe ich die ganze Zeit vor der Nase gehabt. Ich hab mir nur nicht erlaubt, zu glauben, was ich seh. Bis jetzt.
Ich lach. Gott steh mir bei, sag ich. Ja, ich vertrau dir, Jack.
Dann lass uns gehen, sagt er.
Wir gehen in die Höhle. Jetzt seh ich auch den schmalen Spalt ganz hinten. Den Eingang vom Tunnel zur anderen Seite. Jack zündet an der letzten Glut vom Feuer eine Fackel an. Dann helf ich ihm, das Feuer auszumachen und die Asche zu verstreuen, damit sie abkühlen kann.
Fertig, sagt er und will losgehen.
Ich berühr ihn am Arm. Jack, sag ich, ich …
Was?
Ich hab mich gar nicht richtig bei dir bedankt dafür, dass du … dich um mich gekümmert hast. Dass du mich wieder zusammengeflickt hast.
Vergiss es einfach.
Wieder will er losgehen, aber ich halt ihn noch mal auf.
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