Dustlands - Die Entführung
zusammengeflickt, wie man ihn auf einer Müllkippe findet – Stoff, Plastikbeutel, Schimmerscheiben und was nicht noch. Um die Knie hat er Reifenstücke gebunden.
Sind das alle?, frag ich. Nur ihr zwei da?
Ja! Er nickt und nickt, sieht albern aus, wie eine Wachtel. Ja, das sind alle! Bitte – ich flehe dich an, meine Liebe – bitte, tu uns nichts! Siehst du, ich habe ein schwaches Herz, und schon der kleinste –
Ist doch nur ein Mädchen, du alter Trottel! Miz Pinch tritt ihn gegen den Knöchel. Feste. Er krümmt sich vor Schmerzen.
Ja, mein Herzblatt!, keucht er. Aber wie du siehst, ist sie eine veritable Soldatin, bewaffnet und –
Behaltet die Hände oben, oder ich schieß noch mal!, brüll ich.
Sie heben die Hände wieder hoch.
Wenn du auf Stehlen aus bist, sagt die Frau, wir haben nichts, was sich lohnt.
Ich bin keine Diebin, sag ich. Wer seid ihr? Was tut ihr hier draußen?
Rooster Pinch, zu deinen Diensten, sagt er. Geschäftsmann und Kapitän des braven Schiffs Wüstenschwan. Und dies ist meine liebreizende Ehefrau Miz Pinch, die du ja bereits –
Halt die Klappe, sag ich. Ich nick der Frau zu. Du übernimmst das Reden.
Wir sind Hausierer, sagt sie. Unterwegs nach Hopetown. Wir sind vom Kurs abgekommen.
Zeigt mir, womit ihr handelt, sag ich.
Na los, worauf wartest du?, sagt sie zu ihm. Zeig ihr die Truhe.
Ich … dann muss ich aber die Hände herunternehmen.
Mach schon, sag ich. Aber keine Dummheiten.
Er verschwindet in der Hütte und kommt mit dem Hintern voran wieder raus. Er zieht eine zerbeulte Blechtruhe hinter sich her. Macht den Deckel auf, holt allen möglichen Plunder raus und hält ihn hoch, damit ich ihn sehen kann: zwei schmutzige Glasflaschen, zerbeulten Abwrackertechnokram, eine Schaufel, einen schief getretenen Stiefel.
Okay, sag ich, geh zurück zu deiner Frau. Dann: Emmi, brüll ich, komm her. Sie kommt auf Nudd rübergeritten. Kletter aufs Schiff und guck mal in die Hütte, sag ich. Guck nach, ob sie Waffen haben.
Sie rutscht von Nudd runter, krabbelt an Bord, saust an den beiden vorbei und schlüpft in die schäbige kleine Hütte. Ich ziel weiter auf die beiden Pinchs.
Er räuspert sich. Prächtiger Tag heute, sagt er.
Seine Frau haut ihm eine runter.
Emmi kommt wieder raus.
Alles okay?, frag ich.
Sie nickt. Ja, sagt sie, springt vom Schiff und stellt sich neben mich.
Habt ihr Wasser an Bord?, frag ich.
Miz Pinch macht eine ruckartige Kopfbewegung, und er wieselt wieder in die Hütte. Kommt mit einer großen Plastikkanne raus.
Nimm die Kanne, Em, sag ich. Mach unsere Wasserschläuche voll.
Er gibt ihr die Kanne, und sie tut hastig, was ich ihr gesagt hab.
Jetzt wo ich weiß, dass sie keine Waffen haben, dass sie bloß zwei schäbige alte Hausierer sind, weiß ich nicht recht, was ich mit ihnen machen soll. Gibt eigentlich keinen Grund, sie zu erschießen. Sie stehen mit erhobenen Händen da und gucken mich an.
Genau da kommt Nero auf die Idee, nachzugucken, was hier los ist. Er kommt runtergesegelt und lässt sich auf Pinchs Kochtopfhelm nieder. Beugt sich vor und pickt ihn auf die Nase.
Ah!, sagt Pinch und schlägt nach ihm. Krähe! Husch! Weg mit dir!
Ich lass den Bogen sinken. Na gut, schätze, ihr seid in Ordnung. Ihr könnt die Hände runternehmen.
Da siehst du es, mein Schatz!, sagt Pinch zu seiner Frau. Ich wusste, sie hat das Herz auf dem rechten Fleck.
Miz Pinch schnaubt und geht in die Hütte.
Das nenne ich Großzügigkeit!, ruft Pinch. Das nenne ich anständig! Er rutscht vom Wüstenschwan runter, packt meine Hand und schüttelt und schüttelt sie. Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, meine streitbare Freundin! Du hast eine barmherzige Seele! Eine mitfühlende Seele! Das ist selten in diesen finsteren Zeiten, das versichere ich dir. Nun … gewiss würde ein solches Muster an Gerechtigkeit einen Mann nicht davon abhalten, die Ursache seiner höchst unglücklichen … ähm … seiner höchst un- ähm … Du liebe Güte. Ich habe offenbar den Faden verloren.
Du reparierst besser das Rad, sag ich.
Das ist es!, sagt er. Ganz genau!
Na, dann mach.
Pinch wieselt davon, den Hinterreifen holen, der davongehüpft ist. Ich geh zu Emmi und helf ihr, unsere Wasserschläuche vollzumachen. Dann trinken wir, bis wir unseren Durst gelöscht haben, und passen auf, dass Nudd und Nero auch genug kriegen. Aus der kleinen Hütte auf dem Wüstenschwan kommen Kochgeräusche und Essensgeruch.
Emmi schnuppert. Das riecht aber gut, flüstert
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