Dustlands - Die Entführung
bin, sag ich, wirst du dir noch wünschen, ich hätt dich umgebracht. Was zum Teufel tust du hier?
Ich helf dir, Lugh finden! Wütend starrt sie mich an, das sture kleine Kinn vorgereckt. Er ist auch mein Bruder.
Verdammt, Emmi, ich hab dir doch gesagt – argh! Ich rauf mir die Haare. Was hast du getan? Du hast keine Ahnung, was du da tust!
Du auch nicht!
Jetzt werd nicht noch frech! Ich pack den Zügel von ihrem Pferd. Ich kenn die Antwort schon vorher, aber ich frag trotzdem: Ist das Mercys Pferd?
Emmi verschränkt die Arme vor der Brust. Presst die Lippen ganz fest aufeinander.
Ich knirsch mit den Zähnen. Hast. Du. Mercys. Pferd. Gestohlen. Antworte mir! Sofort!
Nein!, sagt sie. Nein, würde ich nie! Stehlen ist falsch, das weiß ich! Ich … hab’s mir ausgeborgt.
Du hast es dir also ausgeborgt, sag ich. Du hast gesagt, ach, übrigens, Mercy, ich will nur eben Saba hinterher, hast du was dagegen, dass ich mir dein Pferd ausborg? Und sie hat gesagt: Aber nein, bitteschön, nur zu! Und mach dir bloß keine Sorgen wegen meinem verkrüppelten alten Knöchel und dass ich ohne Pferd nirgendwo hinkomm. Ist es so gewesen, Emmi? Ist es so gelaufen? Hast du dir Mercys gottverdammtes Pferd so ausgeborgt?
Nein, ich – ach, geh zur Hölle! Sie schlägt sich die Hand auf den Mund. Zu spät.
Verdammt nochmal, Emmi, du sollst nicht fluchen! Dass du mir ja nicht noch mal fluchst!
Du fluchst die ganze Zeit!
Tu ich nicht!
Tust du wohl! Außerdem fluch ich, wann ich will!
O nein, das wirst du nicht! Und weißt du was? Wenn Mercy stirbt, ist das deine Schuld.
Sag so was nicht, sagt sie.
Warum nicht? Stimmt doch.
Du bist der gemeinste Mensch, den ich kenn! Ich hasse dich!
Du kannst mich nicht halb so sehr hassen wie ich dich gerade!
Sie fängt an zu weinen. Ich guck ihr zu, und es lässt mich völlig kalt. Ich bin so verdammt wütend auf sie, von mir aus kann sie heulen, bis sie tot umfällt. Da bricht es aus ihr raus.
Ich hab Angst gehabt, dass du für immer weg bist. Wie alle anderen. Ma und Pa und Lugh. Ich weiß, du hast mich nicht lieb, nicht so wie Lugh, aber … bitte lass mich nicht allein, Saba. Bitte. Du bist alles, was ich hab.
Das gibt mir einen Stich ins Herz.
Sie werden dich brauchen, Saba. Lugh und Emmi.
Ich merk, wie mir ein Riesengewicht auf die Brust drückt. Ich versuch, es wegzuschieben.
Du kannst nicht mitkommen, sag ich. Das ist zu gefährlich. Du musst zurück nach Crosscreek. Aber ich hab keine Zeit, dich da hinzubringen. Du musst es allein schaffen. Du weißt den Weg doch noch, oder?
Nein, sagt sie und verschränkt wieder die Arme vor der Brust.
Hast du genug Wasser?, frag ich.
Sie dreht ihren Wasserschlauch auf den Kopf. Leer.
Essen?, frag ich.
Alles aufgegessen, sagt sie.
Um Himmels willen, Em … hast du überhaupt was eingepackt?
Sie zieht Fern aus der Tasche. Die kleine Wäscheklammerpuppe, die Pa für sie gemacht hat.
Ich starre sie an. Eine Puppe, sag ich. Du hast eine Puppe eingepackt.
Ich bin Hals über Kopf los, sagt sie.
Ich mach die Augen zu. Das Gewicht wird immer schwerer. Du, sag ich, bist wirklich zu nichts zu gebrauchen.
Das ist nicht wahr! Ich hab dich gefunden, oder nicht?
Bleib hier, sag ich. Wenn du auch nur einen Finger rührst, bring ich dich um. Und putz dir die Nase, verdammt nochmal!
Sie wischt sie sich am Ärmel ab. Nimmst du mich mit?, fragt sie. Lugh suchen?
Am liebsten, sag ich, würd ich dich hier lassen für die Geier.
Ich hol alles wieder aus dem Flieger – Nero, meinen Rindenbeutel und meine Waffen. Ich pack alles aufs Pferd, dann heb ich Em auch rauf.
Du bist wirklich das Letzte, Emmi, sag ich. Du machst immer alles kaputt.
S eit zwei Tagen hab ich nicht mit Emmi gesprochen. Ich hab ihr nichts zu sagen. Bin immer noch stinkwütend.
Zuerst hat sie versucht, ein bisschen mit mir zu reden, aber als ich nicht mal gegrunzt hab, hat sie es aufgegeben. Macht ihr offenbar nicht allzu viel aus. Sie schwatzt mit Nero und singt sich Liedchen vor. Ich weiß wirklich nicht, warum sie so verdammt fröhlich ist.
Wir haben ein bisschen was zu essen gehabt, aber nicht viel. Mit der Schleuder hab ich vor zwei Tagen einen Hasen erlegt. Schmeckt gar nicht übel, wenn er erst mal gebraten ist, vor allem, wenn man dran denkt, wie zäh er gewesen ist. Damit sind wir bis gestern Abend über die Runden gekommen, aber jetzt knurrt uns der Magen und schreit laut nach Essen.
Nero bekommt von allem ein bisschen was ab, aber meistens muss er selbst
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