Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
du je über so was nach?«
Ich nickte. In der Schule brachte Mom uns Spanisch bei, und Mr. Caine unterrichtete uns in Französisch, so gut er konnte – auch wenn er zugab, dass dies nicht unbedingt sein Fachgebiet war. Ich fragte mich oft, wie viele Sprachen heute wohl für immer verschwunden waren, weil alle, die sie beherrschten, sich in stumme Untote verwandelt hatten. Letzten Endes hatte es jedoch wenig Sinn, darüber zu spekulieren, was mit dem Rest der Menschheit geschehen war, wenn wir hier mit uns selbst genug zu tun hatten.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, es gibt noch welche. Ich vermisse all diese wundervollen Unterschiede zwischen den Menschen. Das Leben ist heute einfach so langweilig.« Sie lächelte und wuschelte mit ihrer Hand durch mein Haar. »Außer dir. Du bist so besonders und wunderschön, dass ich gar nichts anderes brauche.«
Ich runzelte die Stirn und zog eine Schnute. In jenem Sommer konnte ich manchmal unausstehlich sein – und das war mir selbst teilweise auch durchaus bewusst. »Hör auf damit, Mom. Meine Haare und meine Haut und überhaupt alles sieht total komisch aus. Ich wünschte, ich würde anders aussehen. Und nach dem Gelübde werde ich sogar noch schlimmer aussehen, das weiß ich.«
»Hör auf, Schluss damit. Wir haben doch gerade darüber gesprochen, dass man nicht auf das hören soll, was irgendwelche dummen Kinder sagen, die von nichts eine Ahnung haben.«
Zu unserer Rechten vernahmen wir ein nasses Klatschen. Wir drehten uns um. Ein durchnässter Turnschuh, der neben dem Fluss auf einem großen, flachen Stein lag, war der Urheber. Der Turnschuh befand sich an einem Fuß, der zu den restlichen drei Vierteln von etwas gehörte, das einst ein Mensch gewesen war – irgendwann, bevor ich geboren wurde. Nun war es nur noch ein schaukelnder, schleimiger Sack aus Kleidern und Fleisch. Und Tod. Jede Menge Tod, an dem es uns sehr gerne teilhaben lassen wollte. Es erhob sich, indem es den anderen Fuß aus dem Wasser zog und sich zu uns umdrehte. Es grinste uns an. Oder sagen wir, es verzog seinen Mund auf eine Art und Weise, die mich annehmen ließ, dass es sich uns demnächst freudig nähern würde, auch wenn es natürlich längst nicht mehr über normale, menschliche Gefühle wie Freude oder Fröhlichkeit verfügte. Es machte einen weiteren Schritt, langsam, aber sehr bedächtig und viel geschickter, als ich aufgrund dessen, was man mir beigebracht hatte, erwartet hätte.
Mein Hirn schaltete komplett auf Trainingsmodus und analysierte die Situation völlig kühl. Ich sprang auf die andere Seite des Tisches, auf der meine Jacke lag. Mom war fast genauso schnell aufgesprungen und durchwühlte nun den Picknickkorb. »Scheiße«, murmelte sie, ein wenig erschrocken, aber insgesamt sehr viel mehr Herr der Lage, als ich vielleicht erwartet hatte. »Ich weiß, dass ich eine 38er hier reingepackt habe … Da ist sie!« Sie holte einen kurzläufigen Revolver heraus, nicht den standardmäßigen mit Vier-Zoll-Lauf, den ich normalerweise benutzte. »Die Munition ist in meiner Jackentasche!«
»Keine Sorge, Mom.«
»Wir müssen es erschießen. Wir können nicht zulassen, dass es so nah an der Stadt herumläuft, innerhalb der äußeren Umzäunung. Milton ist irgendwo weit weg in der Wildnis.«
»Ich weiß, Mom.« Ich hielt die 9 mm bereits in der Hand und ließ das Magazin hineinrutschen. Dann zog ich den Schlitten zurück und beförderte so die erste Kugel in die Kammer, als Mom eine Handvoll Patronen auf den Tisch knallte. Als ich mich umdrehte und meine Waffe erhob, hatte das Ding sich uns zwei weitere Schritte genähert. Wie schon gesagt, es war schneller, als mir lieb war, und ich war froh, dass wir in dieser Situation nicht erst den Revolver laden mussten. Sein rechter Arm fehlte, aber ansonsten war es in besserer Verfassung als die meisten anderen, sofern sie sich nicht in irgendwelchen Gebäuden versteckten, wo sie den Elementen weniger ausgeliefert waren. Dieses Exemplar verfügte noch immer über ein paar Klamotten sowie beide Augen und Ohren. Als es uns angegrinst hatte, hatte ich außerdem gesehen, dass ihm auch die meisten seiner Zähne geblieben waren. Ich machte mir im Geiste eine Notiz, Dad danach zu fragen, ob das Wasser die Toten vielleicht besser konservierte, sodass wir gegebenenfalls entsprechend planen konnten. Ich zielte und umklammerte fest den Griff. Dann atmete ich aus und drückte den Abzug.
Ich legte meine Waffe auf den Tisch. Mom und ich setzten uns,
Weitere Kostenlose Bücher