Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
ausgelegt, dass sie nur von der Wache auf dem Dach ausgelöst werden konnten und nicht von etwas so Gefährlichem oder Rücksichtslosem wie Stolperdrähten, also einer – wie das Handbuch es nannte – »von Opfern ausgelösten Detonation«. Anscheinend waren Minen wie diese in den alten Zeiten einfach so verstreut und liegen gelassen worden, allzeit bereit, von ihren Opfern – oft Kindern – ausgelöst zu werden. Trotz der lebenden Toten, die draußen herumliefen, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals so gefühllos und brutal zu sein. Natürlich hatte mir Dad all das beigebracht: Er hatte mich gezwungen, die Handbücher sämtlicher Waffen zu lesen, die wir besaßen – und einiger, die wir nicht besaßen. Genauso, wie ich gelernt hatte, mit Stöcken zu kämpfen, ging auch mein Wissen in Sachen tödlicher – oder zumindest zerstörerischer – Dinge weit über das hinaus, was ich zum Überleben gegen die wandelnden Toten brauchte.
Während wir zwischen den beiden Gebäuden hindurchradelten, befanden Mom und ich uns für ein paar Sekunden in der Todeszone dieses Tores oder, wie das Handbuch es formulierte, »dem Bereich optimaler Letalität und Erfassung«. Für den Fall, dass alles – und ich meine wirklich absolut alles – zusammenbrechen und eine tausendköpfige Horde auf uns einstürmen würde, sollten die Wachen versuchen, diese in das Gebiet zwischen den beiden Gebäuden vor diese Mauer zu locken und so verhindern, dass sie sich gegen das leichtere Ziel warf, das die zusätzlich errichteten Mauern darstellten, die mittlerweile wohl selbst von untoten Händen mit Leichtigkeit durchbrochen werden konnten, da sie zwölf Jahre dem unvermeidlichen Rost und Verfall ausgesetzt gewesen und nur notdürftig instand gehalten worden waren. Da die Toten dazu neigten, sich zu Horden zusammenzurotten, hätte man dadurch mehrere Hundert der wandelnden Leichen auf einem relativ kleinen Rechteck zusammenpferchen können, in dem kleine Stahlkügelchen in Höchstgeschwindigkeit durch die Gegend flogen. Es gab zwar keine Garantie, wie viele von ihnen tatsächlich auch Köpfe treffen würden, aber einige ganz sicher, und die Übrigen würden definitiv dem einen oder anderen gründlich den Tag versauen, wie mein Dad es ausgedrückt hätte. Ich war stolz darauf, dass ich all dies wusste. Und ich war froh, dass es diese Vorkehrungen gab, nur für den Fall, aber ich war auch genauso froh, als Mom und ich den Rand der Gebäude passiert hatten und uns wieder in einer Gegend mit weniger tödlichen Konstruktionen und lebendigeren Ausblicken befanden.
Die Straßen hier draußen waren noch nicht völlig von den Wracks befreit worden, sodass wir uns langsam zwischen ihnen hindurchschlängeln mussten, als wir weiterradelten. Überall wuchsen Pflanzen durch den Asphalt. Die verfallenden Vororte und Industriegebiete am Rande der Stadt gingen allmählich in Ackerland und eine ländlichere Szenerie über, in der nur hie und da halb eingefallene Gebäude standen, die die Natur sich langsam zurückholte. Einige der Felder hier waren bestellt, meist mit Mais, ein paar auch mit Weizen und Baumwolle, während andere sich selbst überlassen wurden, damit Gras für das Vieh darauf wuchs. Zur Rechten stachen uns die Baumreihen einer Obstplantage ins Auge. Das Gras zwischen den Bäumen war niedrig gehalten, und wir konnten sogar mehrere Reihen kleinerer Bäume erkennen, die erst kürzlich gepflanzt worden waren: Sie würden die alten ersetzen, wenn diese keine Früchte mehr trugen. Überall schwirrten Schmetterlinge und Falter, und auf einem der Felder grasten ein paar Kühe und Schafe, aber außer uns sahen oder hörten wir keine Menschenseele.
Meine Mom sah sich zu mir um und lächelte mich an. Zu Hause war sie immer sehr beschäftigt, deshalb wusste ich, dass sie gerne solche Ausflüge unternahm. Sie trug ihr Haar an jenem Tag auch nicht zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sodass es sich über ihre Schultern ergoss und vollkommen frei in der leichten Brise wehte. Wenn sie sich selbst zugestand, sich wenigstens eine Weile lang sorglos zu fühlen, bedeutete dies stets, dass sie glücklich war. Auch wenn sich inzwischen ein paar graue Strähnen eingeschlichen hatten, schimmerte ihr Haar noch immer in wunderschönem Braun – besonders im Vergleich zu meinen mattschwarzen Locken, die sich weder so herrlich kringelten wie die ihren noch so wunderbar glänzten. Ich freute mich darüber, dass sie so glücklich aussah.
Wir bogen links auf eine
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