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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
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noch Überlebende zu finden. Ich wusste allerdings nicht, ob es sehr wahrscheinlich war, dass die Überlebenden dort auch Ballett tanzten, aber das erinnerte mich an etwas anderes, das ich einst gelesen hatte: In Kambodscha – erneut vermutete ich, dass die Überlebenschancen dort besser standen als in Europa – hatte es einst eine antike Form des Tanzes gegeben, bis irgendwelche Leute sämtliche Tänzer dort töteten. Sie waren der Ansicht, diese Art des Tanzes stehe für die Aristokratie. Auch das gehörte zu jenen Konzepten einer Gesellschaft oder Regierung, die ich nur schwer nachvollziehen konnte: der Gedanke, dass eine Gruppe von Menschen sich einer anderen gegenüber als höher stehend erachtete oder dass irgendeine Gruppe eine andere aufgrund dieses Irrglaubens zu ermorden versuchte. Da sie die Aristokraten also nicht mochten, beschlossen sie, dass auch das Tanzen verschwinden musste, und mit ihm alle Tänzer. Die lebenden Toten waren zwar vermutlich gründlicher gewesen, als sie alles Menschliche ausgelöscht hatten, aber trotzdem kam mir das nicht so schlimm vor wie die Tragödie in Kambodscha. Nicht zum ersten Mal fand ich, dass Zombies sinnvoller vorgingen als Menschen, wenigstens manchmal.
    Während wir die verschiedenen Schritte übten, explodierte plötzlich das Fenster der hinteren Tür, sodass einzelne Glasscherben ins Zimmer flogen und auf dem Boden zersplitterten. Dann krachten zwei Fäuste durch die Scherben, die noch am oberen Rand des Fensters steckten, und dieses Mal verteilten sich dicke Blutstropfen über das zerbrochene Glas auf dem Boden. Mr. Enders lehnte sich durch das Fenster und suchte mit seinen toten Augen nach uns.
    Das zerbrochene Glas hatte ihm mehrere lange Risse in seinen dürren Unterarmen zugefügt. Er schnupperte in der Luft und leckte sich langsam die Lippen, während sich seine graue Zunge wie die einer Schlange bewegte. Für eine Sekunde gefror alles in mir, als mir der Gedanke kam, er könne vielleicht schon tot gewesen sein, als ich im Flur an ihm vorbeigegangen war und ich mir vorstellte, wie seine kalte Hand hervorschnellte und mich packte.
    Doch dann, wie vor ein paar Tagen, als Mom und ich angegriffen worden waren, handelte ich ganz automatisch. Die meisten der anderen Mädchen waren jünger als ich und einige von ihnen stießen verständlicherweise einen schrillen Schrei aus, als sie den toten Mann sahen. Die älteren Mädchen, die bereits ihr Gelübde abgelegt hatten, begannen, die Kleineren im vorderen Teil des Zimmers zusammenzutreiben.
    »Ihr geht jetzt alle zur Vordertür raus und den Flur runter«, sagte Miss Wright laut, aber vollkommen sachlich. »Geht nach draußen und holt Hilfe.«
    Sie ging zu ihrer Sporttasche. Ich beugte mich bereits über meine, und wir holten im selben Moment unsere Waffen heraus. Wir mussten beide eine Weile nach den Magazinen kramen, und dann luden wir unsere Pistolen und schoben fast gleichzeitig die Schlitten zurück.
    Ich stand näher an Mr. Enders, der sich noch immer halb im und halb außerhalb des Zimmers befand und jetzt am Türknauf an der Innenseite der Tür herumfummelte. Dies war einer dieser bizarren Momente, in denen der Verstand der Untoten scheinbar nicht richtig arbeitete: Die Tür war nicht verschlossen, wieso drehte er also nicht einfach am äußeren Türknauf? Und wenn er sich gar nicht mehr daran erinnerte, wie ein Türknauf funktionierte und er das Glas nur aus blinder, verständnisloser Wut oder aus Hunger zertrümmert hatte, wieso versuchte er dann, die Tür von innen zu öffnen? Ich musste erkennen, dass Zombies in der Regel wohl doch sinnloser handelten als Menschen.
    Ich wusste, dass ich nicht in Miss Wrights Schusslinie stehen durfte und ging zwei Schritte zurück. Wir hielten unsere Waffen beide auf den Boden gerichtet. »Zoey, geh jetzt«, sagte sie ruhig und erhob ihre Pistole. Es war eine Glock, und ich erinnere mich noch daran, dass ich dachte, dass sie für meine Hände viel zu groß war, obwohl das in jenem Moment eine ziemlich nutzlose Beobachtung war. »Ich weiß, dass du dein Gelübde abgelegt hast und mir helfen willst, aber du musst das nicht mit ansehen. Glaub mir.«
    »Wir müssen nicht schießen, Miss Wright«, erwiderte ich leise. »Und das sollten wir auch nicht.«
    Mr. Enders hatte inzwischen herausgefunden, wie der Türknauf funktionierte, sodass sich die Tür unerwarteterweise öffnete. Er stolperte und fiel nach vorne, konnte sich mit seinen Armen, die im zerbrochenen Fenster

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