Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)
gefährlich Mr. Enders nun auch sein mochte, es war trotzdem bemitleidenswert und brutal, zusehen zu müssen, wie er zu Boden gehauen wurde. In gewisser Weise noch schlimmer war jedoch die Tatsache, dass Miss Wright ihn auf eine so anmutige, elegante Weise angegriffen hatte, die sich kaum von der Form – wenn nicht gar der Absicht – der Tänze unterschied, die wir eben noch geübt hatten. Ich schätze, das ist eines der Dinge, die ich an jenem Nachmittag lernte: Das Leben besteht nicht nur aus träger Schwere und Zähigkeit, sondern auch aus dem faszinierenden, wunderschönen Tanz der Gewalt.
Der erste Treffer brachte Mr. Enders aus dem Gleichgewicht, und Miss Wright ließ ihm einen weiteren heftigen Schlag folgen, während sie einen Schritt auf ihn zumachte und ihm ein Bein stellte.
Er landete mit dem Gesicht auf dem Boden, und sie grätschte ihm in den Rücken und bat mich dann mit einem Blick, ihr die Handschellen zu reichen. Sie packte seinen rechten Arm, der versuchte, sich loszuwinden, und drückte ihr Knie gegen sein rechtes Bein, sodass er sich nicht herumrollen konnte.
Ich stieg hastig über sie hinweg. Als ich mich vor Mr. Enders kniete, schienen seine trüben Augen mich flehend anzusehen, aber das Knurren, das er von sich gab, war Ausdruck seiner bestialischen Wut.
Der Maulkorb war sehr schlicht – eigentlich nur ein Sack aus schwerem Stoff. Ich zwang ihn mit Gewalt über Mr. Enders’ Kopf und zog die Kordel ganz fest zu. Miss Wright legte ihm die Handschellen an und fesselte seine Hände auf seinem Rücken. Ich war froh, dass die ganze Sache schnell vorbei war.
Wir richteten Mr. Enders auf und zerrten ihn in den Flur. Ich warf ein paar Wischmopps und Besen aus einem Hausmeisterschrank und wir waren gerade dabei, ihn dort hineinzusperren, als endlich die anderen zu Hilfe kamen. Sie verbarrikadierten die Schranktür und stellten eine Wache ab, bis endgültig entschieden war, was mit ihm passieren sollte.
Zwei Tage später versammelte sich der Großteil der Gemeinde auf dem Friedhof, auf dem ich mein Gelübde abgelegt hatte. Mr. Enders und Miss Dresdens Baby wurden aus Sicherheitsgründen in einem speziellen Lastwagen zum Friedhof gebracht. Miss Dresden fuhr bei uns mit. Ich erkannte einige Leute in der Menge, die ich eine ganze Zeit lang nicht gesehen hatte, unter ihnen auch Will. Es war nett von ihnen, dass sie den Toten ihren Respekt erwiesen, auch wenn ich vermutete, dass die meisten wohl wegen des freundlichen, harmlosen Mr. Enders hier waren und nicht wegen der skandalösen Rachel und ihres unehelichen Kindes. Ich versuchte, meine Wut zu unterdrücken, indem ich mir einredete, dass ich damit nur unnötig Energie verschwendete.
Die Zeremonie war nicht annähernd so aufwendig wie meine Gelübde-Zeremonie. Die meisten Vorkehrungen oder die Art und Weise, auf die wir den Übergang vom Leben in den Tod zu erleichtern versuchten, schienen mir sinn- und nutzlos, besonders für die Lebenden – sie mussten allein mit ihrem Kummer fertig werden, auf ihre eigene Weise, und das noch lange nach der eigentlichen Beerdigung. Außerdem müssen wir uns eingestehen, denke ich, dass unsere besondere Situation dem Tod einen Großteil seiner Geheimnisse genommen hat. Es fällt mir nach wie vor schwer, mir die aufwendigen Begräbnisrituale und -reden vorzustellen, von denen ich in Büchern gelesen habe, denn bei unseren Begräbnissen sind auch die Verstorbenen anwesend, wehren sich gegen ihre Fesseln und versuchen, uns umzubringen. In unserer Welt fordern die Toten persönlich Respekt und Aufmerksamkeit für sich ein. Wir haben versucht, einen Weg zu finden, um ihnen beides zu geben, ohne ihnen noch mehr Schmerzen zu bereiten oder sie zu töten. Und sobald wir sie gefesselt hatten, schien mir unsere Lösung besser zu sein, als die Alternative, sei einfach umzubringen, das kam mir einfach nur furchtbar abscheulich und unmenschlich vor.
Milton scheuchte die Toten vom Friedhofstor fort. Dad und ein weiterer bewaffneter Wachmann führten den gefesselten Mr. Enders auf den Friedhof, zogen ihm den Maulkorb und die Handschellen aus und ließen ihn seinen Platz zwischen den anderen finden, als er vor Milton in die Menge floh.
Die Beisetzung toter Kinder war komplizierter. Sie musste schnell und vorsichtig vonstattengehen, aber es war den Eltern erlaubt, das Kind selbst zwischen die Toten zu legen. Mein Dad reichte Miss Dresden ihr Baby, das nur noch in ein Handtuch gewickelt und nicht mehr wie eine Mumie verpackt
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