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Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition)

Titel: Dying to Live - Die Traurigkeit der Zombies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Paffenroth
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gewisser Hinsicht eine gute Sache ist, dass es keine Menschen mehr gibt, aber trotzdem erfüllte mich dieser Gedanke schon immer eher mit Erstaunen als mit Furcht oder einem Gefühl des Verlustes.
    Manchmal lasen wir auch noch spät in der Nacht in Büchern, und hin und wieder, wenn wir tagsüber besonders hart gearbeitet hatten, belohnten uns die Erwachsenen abends mit einem Film. Sie brachten den Generator mit ein wenig Benzin zum Laufen, und wir konnten uns einen alten Film auf dem Fernseher ansehen. Die Älteren erzählten uns, dass sie früher jeden Tag ferngesehen hatten und dass es nicht nur DVDs und Videos, sondern auch Nachrichtensendungen und Filme gegeben hatte, die man per Antenne oder Kabel aus aller Welt empfangen konnte. Wir starrten sie daraufhin immer nur ungläubig an. Als ich noch ganz klein war, war es mir immer so vorgekommen, als hätten sie früher in einem wahren Paradies voller Schätze und Luxus gelebt, in dem sie jeden Tag tun konnten, was uns nur noch sehr selten erlaubt wurde. Aber mit zwölf klang es für mich eher nach einer Art des seltsamen Überflusses oder der Verschwendung oder beinahe nach einer Sucht. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, jeden Tag fernzusehen. Aber ich bin mir sicher, dass auch wir heutzutage viele Dinge tun, die die Menschen aus der Vergangenheit niemals glauben würden. Dinge, die sie merkwürdig, beneidenswert oder grotesk fänden. Einmal mehr dachte ich, wie schwer es doch für die Menschen sein musste, die älter waren als ich, die in beiden Welten gelebt und die all das Hässliche, all die Sinnlosigkeit und all die Schmerzen beider Welten erlebt hatten.
    Die Alten erzählten uns, dass sie früher stundenlang Auto gefahren waren, nur um anderswo zur Arbeit zu gehen, und dass sie am selben Tag gearbeitet hatten, fünf oder sechs Tage die Woche. Einige hatten auch zwei verschiedene Jobs gehabt. Ich schätze, das war wohl der Grund, weshalb sie so viel Fernsehen schauten: Sie waren schlichtweg müde von all der Arbeit und den langen Autofahrten. Ich freute mich einfach, dass wir hin und wieder einen Film anschauen und Spaß daran haben konnten, und ich war definitiv nicht mehr neidisch darauf, dass die Menschen früher jeden Tag hatten fernsehen können.
    Die Älteren erzählten auch, dass manche Leute so lange und so weit weg von zu Hause arbeiten mussten, dass sie jemanden dafür bezahlten, auf ihre Kinder aufzupassen. Ich fragte sie, warum ihre Nachbarn denn nicht auf die Kinder aufgepasst hatten, aber das konnten sie mir auch nicht so genau erklären. Sie meinten nur, das sei damals eben einfach so gewesen: Man habe andere Leute nicht einfach um etwas bitten können, ohne sie dafür zu bezahlen. Sie sagten, manchmal hätte man Familienmitglieder darum bitten können, die jedoch meist viel zu weit entfernt lebten, was für mich ebenfalls nur schwer zu verstehen war, auch wenn ich eine abstrakte Vorstellung davon hatte, wie weit verstreut die Menschen damals im ganzen Land gelebt hatten.
    So hart wir im Sommer auch auf den Farmen arbeiteten, wir arbeiteten nie so viel wie in ihren Erzählungen. Es war einfach nicht nötig, so lange zu arbeiten, um alles zu erledigen. Und es ergab definitiv keinen Sinn, so weit von der Arbeitsstelle entfernt zu wohnen, dass man jeden Tag stundenlang dorthin fahren musste – ganz abgesehen von den Benzinmengen, die man dafür verschwenden würde. Ich konnte nicht verstehen, warum sie nicht näher an ihrer Arbeitsstelle gewohnt hatten oder warum jemand arbeiten sollte, um sein Geld dann einer anderen Person zu geben, die auf seine Kinder aufpasste, nur, damit er noch mehr arbeiten konnte. Sie hatten versucht, mir zu erklären, dass bestimmte Häuser manchmal einfach zu teuer oder die Schulen woanders besser gewesen waren oder dass die Leute sich manchmal ein Haus kauften und dann den Job wechseln mussten, aber an diesem Punkt wurde für mich alles viel zu verwirrend und zu kompliziert und war einfach zu weit von der Realität entfernt, um es zu verstehen. Ihre Erklärungsversuche führten nur dazu, dass mir alles aus der Vergangenheit völlig fremdartig und sogar ein wenig hässlich und absurd vorkam.
    Wie in den beiden Jahren zuvor, ging ich auch in diesem Jahr zusammen mit Vera ins Sommerlager. Ohne die anderen schien unser kleiner Altersunterschied plötzlich viel unwichtiger zu sein, und ohne die Last der Erwartungen oder die Rollen, die die anderen uns zugedacht hatten, konnten wir wieder mehr miteinander

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