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Dynamit im Kofferraum

Dynamit im Kofferraum

Titel: Dynamit im Kofferraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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,tollen Hecht’ keine Rolle spielte.
    „Wie alle Welt weiß“, sprach
der Baron aufs Tonband, „hatte ich nur einen Sohn. Claus-Albrecht berechtigte
zu großen Hoffnungen. Die vorzüglichsten Eigenschaften aus unserer langen
Ahnenreihe vereinigten sich in ihm. Er war herrisch. Er verachtete das gemeine
Volk. Er warf mit Geld um sich. Er hat in Afrika acht Löwen und 34 Antilopen
erlegt. Und ich glaube auch: Heimlich hat er einen Elefanten gejagt. Aber das
will ich lieber nicht wissen. Denn die Viecher stehen unter Artenschutz — oder
wie dieser Unsinn heißt. Jedenfalls: Claus-Albrecht war ein wundervoller
Mensch.“
    Finkweiler räusperte seine
Fistelstimme und trank einen Schluck.
    Petra war seit knapp zwei
Jahren hier angestellt. Sie kannte das Schicksal des jungen Barons, aber nur
vom Hörensagen. Begegnet war sie ihm nicht.
    „Als Rennfahrer“, fuhr
Finkweiler fort, „hätte Claus-Albrecht große Karriere gemacht. Ja, ich weiß: Er
wäre der Allergrößte geworden. Seine schwachen Knie — ein Geburtsfehler —
hätten ihn daran nicht gehindert. Wahrscheinlich bin ich sogar Schuld gewesen
an dieser seiner Schwäche. Ich hätte nicht warten sollen bis zu meinem 60.
Lebensjahr, um Vater zu werden. Die schwindende Lebenskraft in mir hat sich
dann auf seine Knie übertragen. Jedenfalls — mein Sohn war als Raser eine ganz
große Nummer: auch auf Landstraßen und der Autobahn. Claus-Albrecht war die
Freude meines Alters. Doch ein teuflisches Schicksal machte ihn bekannt mit
dieser windigen Type aus bürgerlichem Haus. Ich meine Emrod. Dr. Fabian Emrod.“
    Ein Schluck Tee.
    Dann: „Sie wurden Freunde. Sie
hatten die gleiche Leidenschaft: den Rausch der Geschwindigkeit. Emrod, dieser
Pfuscher, war damals noch mittellos. Aber er besaß einen Rennwagen, den er sich
zusammengebaut hatte aus sechs verschrotteten Sport- und Rallye-Fahrzeugen. Aus
Modellen, die nicht zueinander passten. Schließlich kann man auch Ameisen und
Bären nicht miteinander paaren. Daß es den Ameisenbär gibt, ist kein
Gegenbeweis. Emrod nannte seine technische Mißgeburt Donnerschall.“
    Wieder ein Schluck Tee. Die
Tasse klirrte.
    Petra klebte mit dem Ohr an der
Tür. Sie war fasziniert.
    „Donnerschall war ein
technisches Monster. Ich habe in seine Eingeweide geblickt und war entsetzt.
Emrods Basteltalent reichte für Laubsäge-Arbeiten, aber nicht für einen
Prototyp. Niemand hätte dem Donnerschall seinen Segen gegeben. Doch
Claus-Albrecht ließ sich blenden von der äußeren Form, die angesiedelt war zwischen
Maserati und Mittelstreckenrakete. O Gott, o Gott, ich habe ihn gewarnt, meinen
Sohn. Er hörte nicht auf mich. Er hörte auf Emrod. Der überließ ihm das
Monster. Nachts und heimlich fuhr Claus-Albrecht damit auf die Autobahn. Und
donnerte los. Mit viel Schall und völlig unzureichender Technik. Es wurde sein
Verhängnis. Der Wagen hob mehrmals ab, ohne wirklich zu fliegen, erreichte —
wie Experten später errechneten — 223 km/h, verlor dann drei seiner Räder,
brach in der Mitte auseinander und tötete meinen Sohn in einem Wirbel von Eisen
und Stahl, Blech und Plastik, Drähten und Rohren. Der letzte Finkweiler war von
hinnen gegangen.“
    Schrecklich! dachte Petra und
lauschte noch immer an der Tür. So genau wußte ich das gar nicht. Hoffentlich
hat der junge Mensch nicht gelitten. Nein, sicher nicht. Bei dem Rase-Tempo
bleibt nicht mal Zeit zum Erschrecken.
    Der Baron machte eine Pause.
    Petra hörte ihn schluchzen.
    Aber der Tee beruhigte, und
Finkweiler konnte sein Tonband-Geständnis fortsetzen.
    „Ich gebe Emrod die Schuld.
Nicht seiner Dummheit, sondern seinem bedenkenlosen Leichtsinn. Dieser Mensch
hätte es wissen müssen. Und er wußte es auch. Mein Sohn war sein Testpilot,
sein Versuchskaninchen, Emrod hat die Freundschaft mißbraucht. Zu einem Mord.
Jajajajaja, zu einem Mord. Klar, die Gerichte könnten diesem Mistkerl nichts
nachweisen. Mein Sohn sei erwachsen gewesen, hieß es, hätte gewußt, worauf er
sich einläßt. Von wegen! Es war Mord. Die Gesetze sind unvollkommen,
lückenhaft, erfassen längst nicht alle Spielarten von Tücke und Gemeinheit.
Deshalb habe ich mich zum Rächer erhoben. Ich, der Vater.“

    Beim letzten Wort verschluckte
er sich.
    Eine Weile hustete er
krächzend.
    Aber Petras indischer,
kandis-gesüßter Tee aus weißer Tasse half auch dagegen. Er war wirklich
vorzüglich.
    „Sagte ich Rächer?“ Finkweiler
verbesserte seinen Text. „Richter muß es heißen. Richter! Ja, ich

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