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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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Garner entgegen.
    Der Wanduhr nach verblieben noch dreißig Sekunden. Es war davon auszugehen, überlegte Travis, dass die anderen Teilnehmer bereits angerufen hatten und nun warteten.
    Garner nahm das Telefon nicht entgegen. Stattdessen sah er noch einmal der Reihe nach seine drei Leidensgenossen an, die mit ihm an der Wand standen. Dann senkte er den Blick. Travis sah, dass seine Augen in einem Bogen über den Boden huschten, direkt vor den Füßen der sechs Bewaffneten. Fast so, als wollte er sich möglichst unauffällig einen Eindruck von der Haltung der Männer verschaffen. Zu welchem Zweck? Travis folgte Garners Beispiel und musterte die Männer rasch. Sie hatten ihre Pistolen inzwischen sinken lassen, fast lässig, wirkten aber dennoch wachsam genug, um die Waffen im Handumdrehen wieder in Anschlag zu bringen. Was also bezweckte Garner mit seiner kurzen Begutachtung? Vielleicht, überlegte Travis, kam darin nur sein Wunsch zum Ausdruck, irgendetwas tun zu können. Mehr nicht. Und in der Tat starrte er bereits auf seine Hände hinab, die er vor sich gefaltet hatte. Mit einem Ausdruck von Hoffnungslosigkeit im Gesicht. Als hätte er sich in das Unvermeidliche gefügt.
    Er nahm Finn das Telefon aus der Hand.
    «Schalten Sie den Lautsprecher an», verlangte Finn.
    Garner nickte.
    «Sir, tun Sie das nicht», sagte Paige.
    Sie sah Garner an, doch er wich ihrem Blick aus. Er tippte eine Nummer in das Telefon ein. Es begann zu läuten.
    «Herr Präsident …», sagte Paige, dann versagte ihr die Stimme. Nicht aus Furcht, das wusste Travis, sondern aus Enttäuschung. Paige kannte Garner schon einige Zeit und war offenbar fassungslos darüber, was sie hier mit ansehen musste. Als mochte sie es einfach nicht glauben.
    Das Läuten hörte auf, und eine aufgezeichnete Durchsage war zu vernehmen, die Garner zur Eingabe eines sogenannten Brückencodes aufforderte. Er gab eine Zahlenfolge ein. Nach einem Signalton waren einige Klickgeräusche zu hören. Woraus Travis schloss, dass vermutlich gerade dieselbe aufgezeichnete Stimme den anderen Teilnehmern mitteilte, dass Garner sich jetzt zugeschaltet hatte.
    Paige trat eine Träne aus dem Auge und rann ihr an der Wange hinunter.
    Dann öffnete sich die Leitung, und mehrere Stimmen auf einmal waren zu vernehmen, die hallo sagten und fragten, ob die Runde jetzt komplett wäre.
    «Meine Herren», sagte Garner.
    Die Stimmen verstummten.
    Garner, der es noch immer geflissentlich vermied, Paige anzusehen, atmete einmal tief durch.
    «Meine Herren, es sieht so aus, als hätte ich Sie für nichts und wieder nichts behelligt. Nach einem längeren Gespräch, das ich gerade mit Präsident Currey geführt habe, bin ich jetzt zuversichtlich, dass er die Lage, die ich mit Ihnen besprechen wollte, vollauf im Griff hat. Wir alle brauchen uns deshalb keine Sorgen zu machen. Entschuldigen Sie, dass ich so kurz angebunden bin, aber das wäre alles.»
    Er beendete den Anruf per Knopfdruck. Senkte den Kopf.
    Finn wirkte eher erleichtert als glücklich. Travis meinte fast so etwas wie Mitgefühl für Garner in seiner Miene zu erkennen.
    «Sie sind Realist», sagte Finn. «So habe ich Sie auch immer schon eingeschätzt. Das ist keine Schande. Sie sind eben ein Mensch, der seine Möglichkeiten ganz nüchtern abschätzt und danach handelt.»
    Er nahm Garner das Telefon wieder ab.
    Garner sah ihn nicht an, wandte aber dann endlich Paige das Gesicht zu.
    «Wahrscheinlich würden Sie mir jetzt am liebsten so richtig eine runterhauen», sagte Garner.
    «Bringen Sie mich nicht auf dumme Gedanken», antwortete sie.
    «Nein, tun Sie’s ruhig, nur zu. Dann wird’s Ihnen bessergehen. Und mir auch.»
    Einen Augenblick lang starrte sie ihn bloß an. Dem Ausdruck auf seinem Gesicht nach schien er hauptsächlich sich selbst zu bemitleiden.
    Und dann ohrfeigte Paige ihn. Verabreichte ihm eine im wahrsten Sinne des Wortes schallende Ohrfeige, das Geräusch, laut und scharf wie ein Peitschenknall, hallte von den Fenstern, der Wand gegenüber und sogar dem Steinboden draußen im Flur wider. Der Schlag war so kräftig, dass Garners Kopf zur Seite flog und er einen Schritt zurückweichen musste, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.
    Als er Paige wieder ansah, rann ihm Blut über die Lippe.
    Aber er lächelte.
    Ein sonderbares Lächeln. Als lächelte er über einen Scherz, den außer ihm noch niemand begriffen hatte. Er wandte sich Finn zu. Das Lächeln wurde grimmiger. Kälter.
    Finn sah kurz verwirrt drein.
    Und

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