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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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getreten und hatte hinausgesehen – Travis hatte darauf geachtet, nicht in sein Blickfeld zu geraten. Dann hatte der Typ Paige befohlen, hinaus auf den Stahlträger zu steigen. Daran erinnerte Travis sich ganz deutlich. Aber da war noch etwas anderes. Kurz davor. Etwas, das Finn ganz zu Anfang geflüstert hatte, nachdem er an die Iris getreten war. Travis hatte dicht genug in der Nähe gestanden, um es zu hören. Bei der Gelegenheit hatte er nicht weiter darauf geachtet – schließlich hatte er in dem Moment ganz andere Sorgen –, und sonderlich belangreich hatte sich Finns Bemerkung auch nicht angehört.
    Jetzt versuchte er, sich diese Bemerkung ins Gedächtnis zurückzurufen, weil er irgendwie das Gefühl nicht loswurde, dass es doch etwas Wichtiges gewesen war.
    Was hatte Finn noch einmal gesagt?
    Er dachte eingehend nach.
    Sekunden vergingen.
    Dann fiel es ihm wieder ein.
    «Verdammter Mist», sagte Travis.
    Paige regte sich in seinen Armen und hob dann den Kopf, um ihn anzusehen.
    «Was ist?», fragte sie.
    Er antwortete nicht sofort. Weil er vollauf damit beschäftigt war, die letzten beiden Tage noch einmal Revue passieren zu lassen, in allen Einzelheiten. Er vergegenwärtigte sich, was alles geschehen war und was es tatsächlich bedeutete. Es war, als würde er einen Film über ein zerschellendes Weinglas sehen, der allerdings rückwärtslief. Als würden die Scherben und Splitter, wie unter dem Sog einer unwiderstehlichen logischen Schwerkraft, sich drehen und emporschrauben, bis alles sich wieder am richtigen Platz befand. Vom ersten Augenblick an, als sie durch die Iris geschaut hatten, hatten sie aus dem Anblick auf der anderen Seite die falschen Schlüsse gezogen. Ihr größter Irrtum war ihnen gleich zu Anfang unterlaufen, und folglich waren auch sämtliche Schlussfolgerungen, die sie daraus gezogen hatten, vollkommen falsch gewesen.
    «Travis, was ist denn?»
    Er blinzelte. Sah sie an.
    «Ich zeig’s dir», sagte er.
    Und dann ließ er sie los, ganz gegen seinen eigentlichen Willen, und erhob sich von der Couch. Wartete, bis auch sie aufgestanden war, und ging dann mit ihr auf den Flur hinaus und in Garners Arbeitszimmer.
    Ein Wust von Unterlagen war in einzelnen Stapeln überall im Raum verteilt, auf dem Schreibtisch, auf dem Couchtisch, auf den Stühlen und Sesseln, wie nach einem improvisierten Ordnungssystem.
    «Wir haben aus der Liste mittlerweile fünf Personen herausgesiebt, bei denen wir überzeugt sind, dass man ihnen vertrauen kann», verkündete Garner. «Ich habe sie schon per E-Mail kontaktiert und eine abhörsichere Telefonkonferenz anberaumt –»
    Er hob den Blick und verstummte abrupt, als er den Ausdruck auf Travis’ Gesicht sah.
    Nun blickte auch Bethany auf.
    Beide sahen Travis befremdet an. Warteten darauf, dass er irgendetwas sagte.
    Doch er bahnte sich nur wortlos einen Weg durch die Aktenstapel zu dem großen Globus neben dem Fenster, kniete davor nieder und drehte ihn, bis er die Vereinigten Staaten vor sich hatte.
    «Wo könnten sie hin?», murmelte er, mehr zu sich selbst. «Wo wäre der beste Ort dafür?»
    Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie die drei anderen sich ratlos ansahen.
    Er drehte den Globus weiter, bis Südamerika vollständig zu sehen war.
    «Weiß vielleicht einer von einem Ort, der so trocken ist wie Yuma oder zumindest annähernd?», sagte er. «In Mittel- oder Südamerika, meine ich?»
    Garner gluckste. «Ich kenne einen Ort, gegen den Yuma sich ausnimmt wie Seattle. NASA testet dort Mars-Rover. Als ich noch im Amt war, wollten sie jedes Jahr mehr Geld für Forschungseinrichtungen da unten.»
    Travis sah ihn gespannt an.
    «Die Atacamawüste», fuhr Garner fort. «Im Norden Chiles. Ganze Regionen dort haben seit Menschengedenken noch nie einen Tropfen Niederschlag verzeichnet. Diese Regionen sind biologisch steril, es gibt dort weder Pflanzen noch Tiere. Nicht einmal Bakterien.»
    Die letzte Scherbe des Weinglases fügte sich fugenlos in das Gesamtbild ein.
    «Unglaublich», sagte Travis.
    Doch noch ehe er weiterreden konnte, flatterten von den Aktenstapeln auf einmal einzelne Blätter herunter. Weil vom Flur her ein kalter Windzug ins Zimmer geweht kam.

37
    Es ging alles blitzschnell. Auf einmal tauchten Männer in der offenen Tür auf, die mit Schalldämpfern versehene Pistolen auf sie richteten – zwei breitbeinig dastehend, der dritte halb kauernd zwischen ihnen. Es fiel kein einziges Wort. Das war nicht nötig.
    Die Bewaffneten gaben ihnen

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