Dystopia
Zeichen, das Arbeitszimmer zu räumen, und traten beiseite. Garner führte ihren kleinen Zug an, und gleich darauf standen sie alle im Wohnzimmer.
Insgesamt waren es sechs Bewaffnete, alle ausgerüstet mit Pistolen vom Typ Beretta 92F mit Schalldämpfer, durch den sich die Länge des Laufs nahezu verdoppelte. Auf die Pistolen waren schmale LED -Leuchten montiert, die jedoch abgeschaltet waren. Außerdem waren die Männer mit Nachtsichtgeräten ausgerüstet, ganz wie schon der Verfolgertrupp in Yuma, die ihnen an langen Riemen um die Hälse baumelten.
Finn war ebenfalls dabei. Er hielt beide Zylinder in den Händen. Hinter ihm stand die abgetrennte Iris, die er mit einem Zylinder geöffnet hatte, weiterhin in der Luft, und von dem pechfinsteren New York auf der anderen Seite wehte nasskalter Oktoberwind herein. Dann schloss sich die Iris, und sofort hörte der kalte Durchzug auf.
Bethanys Rucksack, in dem sich die SIG befand, lag noch neben der Couch,
wo Travis ihn zurückgelassen hatte. Er sah nicht hin. Vergewisserte sich bloß aus dem Augenwinkel, dass der Rucksack noch da war, und schätzte die Entfernung ab. Augenblicklich war das keine Option. Es würde zu lange dauern, dorthin zu gelangen und dann auch noch den Reißverschluss zu öffnen. Bis dahin hätten ihn längst alle Pistolen im Raum aufs Korn genommen und ein halbes Dutzend Mal getroffen.
Finn zeigte auf eine Wand, die frei von Mobiliar war. «Da rüber. Alle vier.»
Sie zögerten, aber nur ganz kurz. In Anbetracht der Lage blieb ihnen schlicht nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Also gingen sie hinüber und stellten sich nebeneinander an der Wand auf. Die Bewaffneten postierten sich in einem weiten Halbkreis vor ihnen, und zwar so, dass sie einander nicht in die Schusslinie geraten konnten.
«Hören Sie gut zu, was jetzt folgt, ist keine leere Drohung», sagte Finn. «Nur eine falsche Bewegung, und wir schießen sofort und knallen Sie alle ab. Das können wir ohne weiteres tun und immer noch unerkannt entkommen, das ist Ihnen wohl allen bewusst. So weit alles klar?»
Keiner von ihnen antwortete, nicht einmal mit einem Nicken.
Finn zuckte die Achseln, wertete ihre Passivität als Zustimmung. Dann legte er die Zylinder auf einen der großen Ledersessel, schritt hinaus in den Flur und verschwand im Arbeitszimmer. Zwanzig Sekunden verstrichen. Sie hörten die Tastatur klappern, gefolgt von ein paar Mausklicks. Travis rief sich vor Augen, wie der PC -Bildschirm ausgesehen hatte, als sie das Zimmer verließen. Garners E-Mail-Programm war geöffnet, alle Passwörter bereits eingegeben. Finn hatte ungehinderten Zugriff auf alles.
Sie hörten, wie er leise vor sich hin fluchte, und gleich darauf tauchte er wieder im Wohnzimmer auf, mit dem schnurlosen Telefon in der Hand, das er von der Basisstation neben dem Computer genommen hatte. Er sah Garner an.
«In der E-Mail, die Sie zur Abstimmung der Telefonkonferenz verschickt haben, werde ich namentlich erwähnt.»
«Tatsächlich?», sagte Garner.
Finn fixierte ihn eine ganze Weile und wandte sich dann ab. Travis konnte sehen, dass es in seinem Kopf arbeitete. Was er da soeben herausgefunden hatte, gefiel ihm offenbar ganz und gar nicht. Er warf einen Blick auf die Uhr.
«Das Konferenzgespräch beginnt in sechs Minuten», sagte Finn, wieder zu Garner gewandt. «Sie werden sich ebenfalls einschalten und allen mitteilen, dass Ihre E-Mail nunmehr hinfällig ist. Dass sie sie ignorieren sollen und sich keine Sorgen zu machen brauchen, weil sich bereits höhere Stellen um die Situation kümmern.»
Garner würdigte ihn keiner Antwort. Fünf Sekunden lang blieb es still.
«Haben Sie mich verstanden?», sagte Finn.
Garner stieß die Luft aus, es klang beinahe wie ein Lachen. «Keine Ahnung, was Sie geraucht haben, aber glauben Sie ernsthaft, dass ich über dieses Stöckchen springe, bloß, weil Sie es mir hinhalten? Nur zu, knallen Sie uns ruhig ab. Die fünf Teilnehmer dieser Telefonkonferenz und all ihre Sekretärinnen und Mitarbeiter werden es bestimmt kein bisschen verdächtig finden, wenn sie lesen, dass ich wenige Minuten vor dem angesetzten Beginn des Gesprächs erschossen worden bin. Auch die Tatsache, dass Ihr Name in der E-Mail genannt wird, erregt da mit Sicherheit keinerlei unliebsamen Verdacht.»
Finn ließ sich davon nicht erkennbar aus der Ruhe bringen, verengte nur leicht die Augen. Offenbar dachte er wieder nach. Stellte sich bildlich Züge und Gegenzüge auf einem Schachbrett
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