Dystopia
Finn und seine Leute geflüchtet waren, aber nur sporadisch und ungezielt, lediglich zur Abschreckung.
Einer der Beamten ließ Travis, Paige und Bethany nicht aus den Augen, während er mit
seiner MP 5 gleichzeitig die Durchgänge im Visier behielt. Sofern er zu dem Schluss kam, dass sie eine Gefahr darstellten, könnte er den Lauf seiner Waffe sofort auf sie richten.
Es war aussichtslos. Travis würde es niemals bis zu dem Zylinder hinüber schaffen.
Er schätzte ab, wie lange es noch dauern würde, bis die Beamten draußen auf dem Flur waren, von wo aus sie ihn nicht länger würden sehen können. Fünf Sekunden, höchstens.
Er sah zu den Türdurchgängen hinüber. Irgendwo dahinter befanden sich Finn und die anderen. Travis hatte keinen Zweifel daran, dass zumindest Finn dieselben Berechnungen anstellte wie er: um den denkbar kurzen Zeitraum abzupassen, wenn die Agenten die Suite verlassen hätten und Travis Gelegenheit hätte, den Zylinder zu erreichen und die Iris zu öffnen.
Es würde schon eine gewisse Anzahl von Sekunden dauern, und eine gewisse Anzahl von Sekunden würde ihm durchaus zur Verfügung stehen. Die eine Anzahl würde am Ende größer sein als die andere. So einfach wäre es letztendlich.
Auf den letzten Metern vor der Tür, die in den Flur führte, verfielen die Secret-Service-Leute in Laufschritt, den untergehakten Garner eilig mit sich zerrend.
Und dann waren sie draußen, irgendwo auf dem Flur, wo Travis sie nicht mehr sehen konnte.
Darauf hatte er nur gewartet. Er zog die Beine an, stemmte die Füße in den Teppich und schnellte nach vorn, wobei ihm gleichzeitig zu Bewusstsein kam, wie still es auf einmal in der Suite war, weil jetzt nicht mehr geschossen wurde. Die Sicherheitsbeamten hatten nur noch das Ziel, ihren Schützling so schnell wie möglich aus der Wohnung zu bringen, und entfernten sich im Eiltempo den Flur hinunter. Ihre Schritte waren das einzige Geräusch, das zu vernehmen war – ganz kurz nur, dann hörte Travis noch andere Schritte, deutlich näher.
Travis knallte mit beiden Händen gegen den Couchtisch, stieß ihn beiseite, als würde er rein gar nichts wiegen, obwohl er aus massivem Walnussholz bestand.
Finn und die anderen kamen rasch näher. Sie waren zwar noch nicht im eigentlichen Wohnzimmer, aber das würde sich gleich ändern.
Travis bekam den Zylinder mit ausgestreckten Händen zu fassen. Er landete auf der Schulter, drehte sich sofort um und richtete das Gerät so aus, dass es auf Paige und Bethany zeigte. Drückte erst auf den AN -Knopf und dann sogleich auf AUS ( TRENNEN / VERZÖGERN –93 SEK .).
Die Iris öffnete sich eine Handbreit über dem Fußboden. Die Nacht dahinter war pechfinster, undurchdringlich, nur der strömende Regen in der Öffnung glänzte silbrig in dem Licht, das aus der Suite hinüberdrang. Der Projektionsstrahl nahm bereits an Helligkeit zu, während die Iris mit der nötigen Energie gespeist wurde, um aus eigener Kraft offen zu bleiben. Travis hatte nie darauf geachtet, wie lange dieser Vorgang genau dauerte. Ein paar Sekunden, so war es ihm immer vorgekommen. Diesmal schien es länger zu dauern.
Die Schritte waren inzwischen näher gekommen. Befanden sich definitiv schon im Wohnzimmer. Travis wandte aber nicht den Kopf herum, um keine kostbare Zeit zu verlieren.
Paige hatte sich auf alle viere aufgerichtet und machte einen Satz nach vorn. Hechtete in den Lichtkegel, aber nicht auf die Iris zu, sondern in Richtung Couch, wo sie sich nach der Landung geschmeidig auf dem Boden abrollte und blitzschnell Bethanys Rucksack packte. In einer fließenden Bewegung wandte sie sich zu der Iris um und schleuderte den Rucksack mit aller Kraft hindurch in die Finsternis. Travis hörte das Klirren der SIG und der Patronen, als der Rucksack auf dem Gitterwerk landete.
Im selben Augenblick erlosch endlich der Lichtstrahl und trennte sich von der Iris.
Paige winkte Bethany hektisch zu, was aber gar nicht nötig war. Bethany hatte sich längst in Bewegung gesetzt. Sie richtete sich auf Händen und Knien kaum mehr als dreißig Zentimeter vom Boden auf und schnellte geschmeidig durch die Iris, ohne dabei auch nur den Rand der Öffnung zu berühren.
Paige folgte ihr gleich hinterher, und als sie die Iris zu etwa Zweidrittel passiert hatte, packte Travis den Zylinder mit der rechten Hand und warf ihn durch die Öffnung. Weil er darauf vertraute, dass sie sich, auf der anderen Seite angekommen, sofort umdrehen würde und das Ding daher noch
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