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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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Vorschein kam das Sitzinnere, ein Gehäuse aus Stahlfedern und Schaumstoff. Er griff hinein, ertastete den Griff der SIG Sauer P220, die er vor zwei Jahren dort verborgen hatte, nahm sie heraus und verstaute sie neben dem schwarzen Zylinder in Bethanys Rucksack. Dann griff er noch einmal hinein, um die drei Ersatzmagazine herauszunehmen, die er ebenfalls dort verborgen hatte – ein viertes befand sich bereits in der Pistole –, und steckte sie mit in den Rucksack.
    Falls die ohnehin angespannte Bethany durch den Anblick der Pistole zusätzlich beunruhigt wurde, ließ sie sich davon zumindest nichts anmerken.
     
    Eine Viertelstunde später befanden sie sich in der Luft. Der kleine Geschäftsjet ging in den Steigflug über und gestattete Travis einen letzten Blick auf das Spinnennetz von Straßen, von dem Atlanta kreuz und quer durchzogen wurde. Er ging davon aus, dass er wohl nie wieder hierher zurückkehren würde, höchstens auf der Durchreise vielleicht. Rob Pullman würde morgen nicht zur Arbeit erscheinen. Würde nicht öffnen, wenn der Vermieter nächste Woche an seiner Tür klingelte, um die ausstehende Miete einzufordern. Mit einem bitteren Lächeln überlegte er, dass sich vermutlich niemand die Mühe machen würde, Pullman als vermisst zu melden. Man würde ihn in Abwesenheit kurzerhand feuern und seine Wohnung ebenso kurzerhand zwangsräumen. Kein großer Verlust, für niemanden.
    Er und Bethany saßen am hinteren Kabinenende, drei Meter von den Piloten entfernt. Das Geräusch der Triebwerke war laut genug, um ihre Unterhaltung zu übertönen, wenn sie ihre Stimmen dämpften.
    Bethany holte ihr Handy heraus und stöpselte es in einen Anschluss an ihrer Armlehne ein.
    «Das Flugzeug verfügt über Satellitentechnik, über die mein Handy selbst nicht verfügt», erklärte sie, während sie auf dem Display eine Anzeige aufrief, die Travis an Computerprogramme aus den Achtzigern und frühen Neunzigern erinnerte: ein schwarzer Hintergrund mit einer schlichten Eingabeaufforderung, wie bei einem alten DOS -System. Dabei handelte es sich mit Sicherheit um kein veraltetes Programm; Bethany navigierte bloß durch eine abgespeckte Basisversion, die normale Nutzer nie zu sehen bekamen.
    «Können die Piloten das auf ihren Bildschirmen sehen?», fragte Travis.
    «Nein, das kann niemand sehen. Nicht mal die Satellitenprovider.»
    Sie tippte einen Befehlscode ein, der auf Travis wie eine wahllose Buchstaben- und Zahlenfolge wirkte, und drückte Enter. Ganz kurz tauchte ein Sanduhrsymbol auf, und dann erschien auf dem kleinen Bildschirm eine Straßenkarte der Vereinigten Staaten, über ein Satellitenbild geblendet. Die Satellitenschicht war in eine Vielzahl verzerrter Quadrate aufgeteilt, die sich überlagerten und auf diese Weise ein Gesamtbild ergaben. Nach kurzer Zeit begriff Travis, was er da vor sich sah: kein statisches Bild der Welt, wie es auf unzähligen Websites zu betrachten war, sondern eine aus zahlreichen Satellitenbildern zusammengesetzte Aufnahme in Echtzeit. Der größte Teil des Ausschnitts der Vereinigten Staaten war noch in nächtliches Dunkel gehüllt.
    Mit den Pfeiltasten des Handys fokussierte Bethany die Karte auf Washington D.C. und zoomte dann heran, bis das Stadtgebiet den Bildschirm ausfüllte. Selbst auf diesem eher schmalen Bildausschnitt konnte Travis eine Zone erkennen, an der sich die Aufnahmen verschiedener Satelliten überlagerten und die sich, eben noch wahrnehmbar, alle paar Sekunden um ein Pixel verschob. Er malte sich Aufklärungssatelliten aus, die in niedriger Umlaufbahn über der Erde dahinzogen und Abschnitt für Abschnitt ins Visier nahmen.
    Bethany zoomte noch eine Stufe näher heran. Einzelheiten der Stadt wurden sichtbar. Travis erkannte das lange grüne Band der National Mall, die das Bild in der Mitte von links nach rechts durchquerte. Direkt darüber befand sich der zentrale Punkt, auf den eine Anzahl breiter Straßen aus verschiedenen Richtungen zuführte: das Weiße Haus. Ein etwa drei mal drei Straßenzüge umfassendes Gebiet eine Meile nordöstlich davon war in hellem Gelb hervorgehoben. Bethany tippte an dieser Stelle auf das Display.
    «Sie sind noch immer dort», sagte sie. «Die Überlebenden befinden sich irgendwo in diesem Rechteck, seit ich das heute Morgen gegen zwei Uhr das erste Mal überprüft habe. Man muss sie unmittelbar nach dem Überfall dorthin gebracht haben, der weiter südlich stattgefunden haben dürfte, irgendwo zwischen dem Weißen Haus und

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