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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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niemand mehr über den Teppichboden gelaufen war oder Kissen ausgeschüttelt hatte, war vermutlich auch die Luft gänzlich frei von Staub. In dem blassen Sonnenlicht, das in den Flur fiel, konnte Travis jedenfalls kein einziges Staubkorn entdecken.
    Er wandte sich der Lichtquelle zu: der Flügeltür am Ende des Flurs, etwa fünfzehn Meter entfernt, zwar geschlossen, aber hauptsächlich aus Glas bestehend. Auch die Wand um die Tür herum bestand aus Glas. Sämtliche Scheiben waren noch intakt.
    Das Stück Parkplatz, das dahinter zu sehen war, wirkte im grellen Sonnenschein karg und verblichen. Der Parkplatz war, nicht sonderlich überraschend, voller Autos.
    Paige ließ die Tür des WCs hinter sich zufallen.
    Reglos standen sie da und horchten. In dem Hotel war es totenstill, wie vermutlich schon seit Jahrzehnten.
    Über eine Minute lang spähten sie durch die Glasfront hinaus ins Freie. Hinter dem Parkplatz wurde die Sicht stellenweise durch andere Gebäude verstellt, doch durch die Lücken dazwischen konnten sie ziemlich weit sehen – Hunderte Meter weit zum Teil. Unten an den Fassaden weit entfernter Gebäude konnten sie größere Anhäufungen von Sand erkennen, die der Wind dort hinterlassen hatte, blendend weiß im Sonnenschein. Im Augenblick schien es jedoch windstill zu sein.
    Irgendeine Bewegung war nirgends zu erkennen.
    Travis stellte den Zylinder und den Seesack auf dem Boden ab. Nahm die Einzelteile der Flinte aus dem Sack, setzte sie zusammen und hängte sie sich um die Schulter. Dann öffnete er noch einmal die WC -Tür und schob den Seesack hinein, hinüber auf die linke Seite, wo sich die Waschbecken befanden. Wozu den sperrigen Beutel mit durch die Ruinen schleppen. Sie könnten ihn später auf dem Rückweg wieder an sich nehmen.
    Bethany nahm die SIG aus ihrem Rucksack, betrachtete sie kurz und reichte sie dann an Paige weiter. «Du kannst sicher besser schießen als ich. Ich werde den Zylinder in der Hand behalten. Dürfte besser sein, als ihn im Rucksack zu transportieren. So geht keine kostbare Zeit verloren, falls wir ihn schnell einsetzen müssen.»
    Sie schloss den Reißverschluss des Rucksacks, in dem sich jetzt nur noch die Flintenmunition befand, hängte ihn sich wieder um die Schulter und hob dann den Zylinder vom Boden auf.
    Nach einem letzten langen Blick auf den Parkplatz wandte sich Travis um und bahnte sich durch die Toten einen Weg zur Tür des Treppenhauses.
     
    Das Treppenhaus war erfüllt von diffusem Licht, das seinen Ursprung weiter oben hatte, aber selbst auf den unteren Treppenaufgängen ausreichte, um die Toten zu erkennen, die hier vereinzelt lagen.
    Im dritten Stock machten sie die Lichtquelle ausfindig. Die mumifizierte Leiche eines Mannes um die vierzig mit Halbglatze lag auf der Schwelle der Tür ausgestreckt, die in den Flur führte, und sorgte dafür, dass die Tür für alle Zeit in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel offen stand. Das Sonnenlicht, das vom Flur aus hereinströmte, fiel durch eine ähnliche Glasfront wie im Erdgeschoss.
    Sie setzten ihren Aufstieg fort, bis sie im fünften Stock ankamen. In dem Flur dort lagen die Toten ebenso dicht verstreut wie im Erdgeschoss. Einige der Zimmertüren, an denen sie vorbeikamen, standen offen. In den Räumen lagen ebenfalls Tote, auf Betten und in Sesseln. Travis starrte die Knochen an, die sich unter der verdörrten Haut abzeichneten. Alle Leichen waren auf diese Weise eingeschrumpelt. Ausgeschlossen, dass dies allein eine Folge der Mumifizierung war. Es machte eher den Eindruck, als hätten die Menschen vor ihrem Tod längere Zeit Hunger gelitten, bis sie schließlich völlig ausgezehrt zugrunde gingen.
    Sie kamen zu der Glasfront am Ende des Flures, von wo aus sich ein Panoramablick über Yuma bot.
    Sie starrten hinaus.
    «Lieber Gott», sagte Paige leise.
    Danach senkte sich minutenlang Stille herab.
    Alle Gebäude in Yuma sahen noch genauso aus wie kurze Zeit zuvor, als sie in der Gegenwart durch die Straßen gefahren waren, nur mit dem Unterschied, dass ihre einst kräftigen Farben zu blassen Pastelltönen verblichen waren. Wie bei Limonadedosen, die wochenlang in der Sonne gelegen hatten. Alle Parkplätze waren dicht an dicht mit Autos und LKWs vollgestellt, auch die Straßenränder waren restlos zugeparkt. Die Fahrzeuge befanden sich im gleichen Zustand wie jene draußen in der Wüste: der Lack ausgeblichen und rissig, die Reifen und Fensterdichtungen längst zerbröselt. Die wahnwitzige, dabei aber organisierte

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