Dystopia
hatten, klappte Bethany den Block zu. Dann beugte sie sich in den Van, um einen weiteren Blick in das Fach zu werfen, in dem sie den Block gefunden hatte. Sie kramte heraus, was sich noch darin befand: ein blauer Kugelschreiber und zwei Wachsmalstifte, rot und orange, beide längst platt zusammengeschmolzen und nur noch von den Papierbanderolen zusammengehalten.
«Hier draußen stoßen wir bestimmt noch auf zig weitere Fragen», sagte Travis, «aber die Antworten sind, glaube ich, in der Stadt zu finden.»
Paige und Bethany nickten zustimmend.
Travis nahm den Rucksack von der Schulter, öffnete den Reißverschluss und holte den Zylinder heraus.
25
Sie öffneten die Iris zweihundert Meter vom Highway entfernt, nur auf die Gefahr hin, dass in der Gegenwart des Jahres 2011 gerade jemand vorüberfuhr. Travis blickte durch die Öffnung. Nirgendwo ein Auto weit und breit. Der Jeep stand noch genauso da, wie sie ihn zurückgelassen hatten.
Nach fünfundzwanzigminütiger Fahrt erreichten sie die westlichen Vororte der Stadt. Yuma war größer, als Travis angenommen hatte, die Stadt erstreckte sich über eine Fläche von mindestens vier mal vier Meilen. Er bog vom Highway ab, und gleich darauf fuhren sie durch eine Wohngegend voll niedriger Häuser mit schmalen Vorgärten, die teils mit Kies bestreut waren, teils aus künstlich bewässertem Rasen bestanden. Die Straßen waren von Palmen gesäumt, die nicht ganz bis zu den Laternen emporragten.
An einer Kreuzung bogen sie in südliche Richtung auf die Fourth Avenue ein, offenbar die Hauptstraße der Stadt, die sich, vom wüstenhaft trockenen Klima einmal abgesehen, in nichts von ähnlichen Straßen in anderen Städten der USA unterschied. Es gab Tankstellen, Supermärkte, Banken und Juweliergeschäfte. Es gab einen Burger King. Es gab ein Kino mit fünf Sälen.
Falls sie bereits von einer Armee erwartet wurden, ließ sie sich jedenfalls nicht blicken. Was in gewisser Weise nur folgerichtig war.
«Sollte uns Ärger ins Haus stehen», sagte Travis, «dann eher auf der anderen Seite, glaube ich, in den Ruinen. Auf dieser Seite wissen sie nicht, in was für einem Fahrzeug wir unterwegs sind. Wissen nicht einmal, wer wir
sind
, von dir abgesehen, Paige. Drüben auf der anderen Seite aber werden wir die einzigen menschlichen Besucher sein. Dort werden sie uns erwarten.»
Paige nickte. Sie wog kurz die Möglichkeiten ab. «Vielleicht ist es nur Wunschdenken, aber es gibt durchaus Faktoren, die zu unseren Gunsten sprechen könnten. Auf der einen Seite haben wir es zwar mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten aufzunehmen, dem das gesamte Militär und sämtliche Polizeikräfte des Landes zur Verfügung stehen. Wenn er will, kann er Schwefel auf uns hinabregnen lassen. Andererseits haben er und Finn, und wer sonst noch mit ihnen unter einer Decke stecken mag, bereits anschaulich bewiesen, dass ihnen Geheimhaltung über alles geht. Kaum vorstellbar, dass sie einfach so hundert Soldaten oder Polizeibeamte durch die Öffnung schicken, um uns auf der anderen Seite aufzulauern. Das Risiko, so viele Leute einzuweihen, dürfte ihnen zu hoch sein. Ich würde eher tippen, dass Finn weiter auf seine eigenen Wachleute aus dem Hochhaus setzen wird, auf diejenigen von ihnen, denen er absolut vertraut. Wie viele das sein mögen, wissen wir natürlich nicht. Ein Dutzend, wenn wir Glück haben. Oder auch mehr, wenn wir Pech haben.»
Travis blickte eine Querstraße hinab, an der sie eben vorbeifuhren. Hielt sich den ungefähren Grundriss der Stadt vor Augen. Stellte sich vor, wie die Stadt auf der anderen Seite der Iris aussehen würde, bestehend aus den noch halbwegs erhaltenen Ruinen der Gebäude, von denen nur wenige eingestürzt sein würden. Ein Dutzend Leute wäre kaum dazu in der Lage, das gesamte Stadtgebiet effektiv zu überwachen. Dazu würden sogar einige Dutzend nicht ausreichen.
Noch andere Faktoren sprachen zu ihren Gunsten. Als Zielobjekte hatten die drei ihren potenziellen Häschern gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Sie würden ihren eigenen Zylinder dabeihaben, während Finns Leute, sofern sie sich weiträumig in den Ruinen verteilten, in dieser Hinsicht natürlich mit leeren Händen dastehen würden. Finn würde seinen Zylinder wohl auf keinen Fall aus der Hand geben.
So könnten sie sich leicht in Sicherheit bringen, falls sie in Schwierigkeiten gerieten. Bei einer Verfolgungsjagd etwa könnten sie ihren Zylinder anschalten, den verzögerten Schließmechanismus
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