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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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kürzer. Mein Gott, setzen wir das wirklich in die Tat um?»
    Die Stimme klang ebenso ängstlich wie aufgeregt.
    «Ja, wir setzen das wirklich in die Tat um. Ein so überstürztes Vorgehen hätte wohl keiner von uns befürwortet, aber wenn man vor der Wahl steht, es entweder so oder gar nicht zu machen …»
    «Du hast recht. Ich habe zwar wahnsinnige Angst, aber ich bin dabei.»
    «Das wusste ich. Fang am besten sofort mit allem an. Ich melde mich bald wieder.»
    «Ich liebe dich.»
    «Ich dich auch, Audra.»

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    Dritter Teil Arica
    33
    Um fünf Uhr morgens klingelte bei Richard Garner der Wecker. Nach einer halben Stunde Frühsport ging er unter die Dusche und begab sich wenig später, bekleidet mit einer Khakihose und einem grauen Polohemd, in sein Arbeitszimmer. Durch die Fenster bot sich ihm eine überwältigende Aussicht auf den Central Park, dreißig Stockwerke tiefer, durchflutet vom bernsteingelben Licht der Morgensonne und noch erfüllt von langen Schatten.
    Er schaltete den Computer an. Während der Rechner hochfuhr, verließ er das Zimmer und ging durch den breiten, natursteingefliesten Flur in die Küche, wo er sich zwei Scheiben Toast röstete und ein Glas Orangensaft einschenkte. Dieses Frühstück nahm er mit ins Arbeitszimmer, setzte sich an den Computer und öffnete die Textdatei, an der er gerade arbeitete. Es sollte ein Buch werden, das sich bislang aber noch im Entwurfsstadium befand. Angefangen hatte es als Studie über die Präsidentschaft Ulysses S. Grants, wobei vor allem die unterschiedlichen Anforderungen beleuchtet werden sollten, denen Grant erst als Oberbefehlshaber der Nordstaaten im Bürgerkrieg und dann als Führer der Nation gerecht werden musste. Inzwischen aber hatte sich der Fokus erweitert, und das Buch entwickelte sich zunehmend zu einer breiter angelegten Untersuchung über all jene Präsidenten, die vor ihrem Amtsantritt einen militärischen Führungsrang bekleidet hatten. Zu einer Analyse darüber, inwiefern sich ein solcher Werdegang positiv oder negativ auf die spätere Perspektive eines Präsidenten auswirkte. Noch war er unschlüssig, zu welchem Ergebnis er letzten Endes kommen würde – ob Generäle im Allgemeinen eher gute oder schlechte Präsidenten abgaben. Die Faktenlage ließ eine ganze Reihe von Schlussfolgerungen zu, die wiederum untrennbar mit der jeweiligen Epoche, dem Ort und dem herrschenden politischen Klima verbunden waren, und er hatte gerade erst begonnen, sich in das umfangreiche Material einzuarbeiten. Dabei hatte er die Hoffnung, dass sein eigener militärischer Hintergrund – bis zum General hatte er es zwar nicht gebracht, aber immerhin hatte er in den Siebzigern als Kommandeur eine Einheit der Navy SEALs befehligt – ihm weniger den Blick verstellen und eher zu vertiefter Einsicht verhelfen würde.
    Es war eine Arbeit, die seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Genau die Sorte Arbeit, die er jetzt brauchte. Und aller Voraussicht nach wohl auch für den Rest seines Lebens brauchen würde.
    Er verbrachte den gesamten Morgen und Vormittag im Arbeitszimmer. Die meiste Zeit über saß er am Computer, ging aber zwischendurch immer mal wieder an den Fenstern auf und ab, um auf den Park und die Stadt hinabzublicken.
    Um ein Uhr legte er eine Pause ein, gönnte sich ein Sandwich und eine Dose SevenUp. Er stöpselte seinen iPod in die Hifi-Anlage ein und drehte die Musik laut auf, während er in der Wohnung kleinere Hausarbeiten erledigte. Zwei Jahre war es her, seit er dieses Domizil bezogen hatte, und trotzdem fühlte er sich noch immer seltsam fremd hier. Als hätte er sich noch nicht ganz eingelebt. Als müsste er sich immer noch daran gewöhnen, allein zu leben.
    Das Domizil nahm eine gesamte Etage des Gebäudes ein, wobei er aber nur zwei Drittel davon bewohnte. Im restlichen Bereich befanden sich die Wohn- und Arbeitsräumlichkeiten der Männer vom Secret Service, die für seine Sicherheit zuständig waren. An den meisten Abenden spielte er Poker mit ihnen.
    Um vier Uhr hatte er in der Wohnung alles erledigt, schaltete die Musik ab und kehrte ins Arbeitszimmer zurück. Dort öffnete er einen schweren Karton mit vergilbten, durch Umschläge geschützten Dokumenten, die aus dem Archiv der New York Public Library stammten und keineswegs zum Leihbestand der Bibliothek gehörten. Selbst eine Einsichtnahme vor Ort unterlag strengen Beschränkungen. Garner als ehemaliger Präsident genoss da natürlich gewisse Privilegien, aber

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