Dystopia
das gesamte Umland aus Wüste.
Imperial war ebenso gut erhalten wie Yuma, aber wie leergefegt. Keine Autos, keine Knochen, keine Leichen. Sie fuhren durch die stillen, vom Zwielicht des in der Ferne wütenden Feuers dämmrig erhellten Straßen. Als sie am Hof einer Spedition vorbeikamen, schreckten sie eine Eule aus den Kisten auf, die dort aufgestapelt standen. Erhaschten gerade noch einen Blick auf ihr helles Gesicht mit den tiefliegenden dunklen Augen, und dann war sie auch schon fort, mit schweren Flügelschlägen in der Nacht verschwunden.
Sie fuhren weiter bis zu einem Gelände, das ihrer Einschätzung nach einst landwirtschaftlich genutzt worden war, und entledigten sich der Fahrräder. In der Mitte der Fläche öffneten sie die Iris, stiegen hindurch und stellten fest, dass sie sich inmitten dichter Reihen feuchtbenetzter Baumwollpflanzen befanden, dreißig Meter von einer großen mobilen Beregnungsanlage entfernt, die gemächlich über das Feld dahinrollte.
Travis ließ spähend den Blick umherschweifen. Weder das Flackern von Blaulichtern noch die Scheinwerferkegel irgendwelcher Hubschrauber waren in der Umgebung zu sehen. Der Großeinsatz im Namen der Heimatschutzbehörde konzentrierte sich offenbar ganz auf Yuma, das fünfzig Meilen weiter östlich lag.
Sie marschierten zurück in die Stadt und fanden etwas abseits des Highway ein Motel, das Zimmer auch ohne Vorlage von Ausweisen vermietete. Sie mieteten sich ein Zimmer mit zwei Doppelbetten. Dem Wecker auf dem Nachttisch zufolge war es halb drei Uhr früh. Paige und Bethany teilten sich das eine Bett, Travis nahm das andere. Vollständig bekleidet ließen sie sich auf die Tagesdecken fallen und waren im nächsten Moment eingeschlafen.
32
Finn hatte pausenlos telefoniert. Auf dem gesamten Rückflug von Yuma und dann über anderthalb Stunden von seinem Büro aus. Jetzt stand er auf seinem Balkon hoch über Washington und blickte auf all die Gebäude, in denen er in den letzten Stunden mit wichtigen Leuten telefoniert hatte. Umrisshaft zeichneten sie sich im Dunkel ab, eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, nur spärlich hier und da erleuchtet.
Einen Anruf musste er noch tätigen.
Er stützte den Arm auf die Brüstung. Er wählte. Nach dreimaligem Läuten meldete sich eine Stimme. «Isaac?»
«Ja», sagte Finn. «Ich habe mit dem Präsidenten gesprochen. Und mit allen anderen maßgeblichen Leuten. Wir sind zu einer Einigung gekommen. Besonders glücklich sind wir nicht damit, aber eine andere Möglichkeit bietet sich derzeit nicht. Paige Campbell und ihre Freunde waren mehrere Stunden in Yuma, und jetzt haben sie sich längst aus dem Staub gemacht. Wir wissen nicht, was sie dort gesehen haben, und auch nicht, mit wem sie bereits Kontakt aufgenommen haben. Die meisten wichtigen Leute sind auf unserer Seite, aber längst nicht alle. Wenn zu viel Zeit verstreicht, könnten diese anderen Leute uns schaden. Sie könnten das gesamte Projekt sabotieren.»
Er atmete tief durch, stieß langsam die Luft aus. «Wir können nicht so lange warten wie ursprünglich geplant», sagte er. «Umbra muss jetzt in die Tat umgesetzt werden. Umgehend.»
Am anderen Ende der Leitung schnappte jemand erschrocken nach Luft. «Aber es ist noch nicht bereit. Ganze Segmente des Plans –»
«Die Grundlagen stehen fest», fiel Finn seinem Gegenüber resolut ins Wort. «Im Prinzip kann es funktionieren. Und in gewisser Hinsicht haben wir jetzt einen Vorteil. Wir haben den Zylinder. Wir können zum finalen Zielort reisen und uns ansehen, wie es dort 2084 aussieht. Wer weiß, was wir auf diese Weise lernen können.»
«Willst du jetzt schon hinreisen?»
«Die nächsten vierundzwanzig Stunden bleibe ich erst mal in Washington. Weil ich damit rechne, dass Miss Campbell wieder hier auftaucht und versuchen wird, Kontakt zu Leuten aufzunehmen, in der Hoffnung, ihnen vertrauen zu können. Wobei ich bezweifle, dass sie und die anderen sich darüber im Klaren sind, wie weitreichend unsere Beziehungen tatsächlich sind. Also bin ich zuversichtlich, dass sie irgendwann ins Stolpern geraten werden.»
Am anderen Ende blieb es länger still. Ein Schweigen, das Unschlüssigkeit verriet. Widerstreben. Schließlich Einverständnis.
«Currey leitet an seinem Posten bereits alles Nötige in die Wege», sagte Finn. «Wie lange wirst du brauchen? Wie lange wird es dauern, den Plan tatsächlich in Gang zu setzen?»
Wieder ein längeres Schweigen. Dann: «Einen Tag oder zwei. Vielleicht auch
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