Dystopia
dieser Qualm sich wie ein Film auf seiner Haut ablagerte, konnte ihn auch in den Augen und in seinem Haar spüren. Das Zeug war mit Sicherheit leicht entflammbar und sickerte mit jeder Sekunde tiefer in seine Kleidung ein.
Noch dreißig Meter bis zu der Lücke, die lediglich so breit war wie die Gasse selbst. Die Autos zu beiden Seiten brannten bereits lichterloh.
Noch zwanzig Meter.
Noch zehn.
Sie passierten gerade zu dritt nebeneinander die Lücke, als im Kofferraum eines der Fahrzeuge etwas explodierte, worauf ein Regen aus brennendem Benzin in alle Richtungen spritzte. Finn gelang es, den Feuerzungen gerade noch zu entkommen, und er ging davon aus, dass das auch seinen beiden Männern gelungen war. Dann hörte er Reyes schreien. Er bremste so abrupt ab, dass er beinahe auf dem immer glitschiger werdenden Gummibelag am Boden ausrutschte, und sah sich um. Reyes lag am Boden, seine Kleidung brannte. Er wälzte sich hin und her, um die Flammen zu ersticken, aber das nützte nichts. Im Gegenteil, bei jeder Berührung setzte er stattdessen alles um sich herum in Brand. Die Reifenkrümel gaben in ihrem halbgeschmolzenen Zustand die Öle frei, aus denen sie zusammengesetzt waren. Sie entzündeten sich beim geringsten Kontakt.
Am Rand seines Gesichtsfelds nahm Finn wahr, wie Hunt zurückspurtete, um Reyes zu helfen. Er konnte ihm nicht einmal mehr eine Warnung zubrüllen. Gleich darauf waren beide von Flammen eingehüllt.
Finn trat dennoch einen Schritt auf sie zu. Eine unwillkürliche Bewegung, nicht einmal eine Geste. Bestenfalls ein Wunsch.
Er konnte nichts tun. Hatte nicht mal eine Waffe, um die beiden von ihren Leiden zu erlösen.
Der nächste Kofferraum explodierte, ganz in der Nähe. Hier konnte er unmöglich bleiben. Grayling und die anderen waren vielleicht noch zu retten. Er machte kehrt und rannte wieder los in Richtung Norden.
Eine Minute später umrundete er ein weiteres Feuer und kam zum südlichen Ende der Fourth Avenue. Er sah sofort, dass es hoffnungslos war. Die gesamte Stadt brannte bereits. Jedes einzelne Gebäude, jedes einzelne Auto in den Straßen. Weit vor sich konnte er Graylings Laptops erkennen, die gerade in den Flammen zusammenschmolzen. Von Grayling selbst war nichts zu sehen, und auch nicht von den anderen vieren. Sie hatten die Flucht ergriffen. Sie würden es nicht schaffen. Es gab kein Entkommen aus den Flammen, egal, in welche Richtung.
Finn starrte die Knochenhaufen an, die sich an den Gebäuden türmten. Aus Erdgeschossfenstern schlagende Flammen loderten und züngelten dazwischen umher, schwärzten sie ein. Flackerten gespenstisch hinter Rippen hervor. Leckten wie dünne Schlangenzungen aus den Mündern und Augenhöhlen von Schädeln heraus.
Er richtete den Zylinder aus und schaltete ihn ein.
Der Gummibelag in der Wüste konnte die fehlenden Fahrradreifen nicht ersetzen, und trotzdem war dieses holprige Fahren immer noch besser, als zu Fuß unterwegs zu sein.
Travis, Paige und Bethany radelten Richtung Norden zum westlichen Rand der Stadt, wobei sie einen weiten Bogen um die Vororte machten. Unweit der Stelle, an der sie vor nicht allzu langer Zeit – technisch gesehen allerdings dreiundsiebzig Jahre und zwei Monate zuvor – am Straßenrand angehalten hatten, erreichten sie die I-8 und wandten sich dort nach Westen, in Richtung Imperial, Kalifornien, oder was davon noch übrig sein mochte.
Sie waren die halbe Nacht lang unterwegs. Auf dem harten Wüstenboden gleich neben der Straße schafften sie etwa zehn Meilen in der Stunde. Der Asphalt selbst war zu hart für die Felgen.
Jedes Mal, wenn sie eine Pause einlegten, sahen sie sich nach dem Feuer um. Es breitete sich Meile um Meile aus, was auch jetzt noch zu erkennen war, während sie sich immer weiter davon entfernten. Noch nie im Leben hatte Travis ein so eindrucksvolles Schauspiel gesehen. Der zentrale Kern des Feuersturms musste inzwischen über dreihundert Meter zum Himmel emporlodern – wie ein gigantisches Lagerfeuer, in dem man einen Berg hätte unterbringen können.
Zehn Meilen vor Imperial gelangten sie an den äußeren Rand der abgestellten Fahrzeuge. Das Ende verlief in einer mehr oder weniger geraden Linie und verlor sich im Dunkel nördlich und südlich der I-8.
Sie fuhren weiter auf die Stadt zu. Von den künstlich bewässerten Nutzflächen, die sich einst im Umland befunden hatten, war nichts mehr übrig. Nicht einmal der frühere Übergang zur Wüste war noch zu erkennen. Inzwischen bestand
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