E-Bike Tour de Suisse (German Edition)
Tatsächlich sind es aber 178 Täler, die sich in diesem Tal zusammenfinden. Im italienischen heißt das Tal Melezza. Es ist dicht bewaldet. Zerklüftete Felsen ragen empor. Das tief eingeschnittene Tal ist nördlich und südlich von hohen Bergketten umgeben. Die höchsten Gipfel sind im Süden der Gridone mit 2188 m über dem Meer an der Grenze zu Italien und im Norden der Pizzo Ruscada mit 2004 m Höhe. Bei Palagnedra ist die Melezza zu einem ca. 4 km langen schmalen See, dem Lago di Palagnedra aufgestaut. Parallel zur Straße verläuft, streckenweise durch Felstunnel geführt, die Centovalli Bahn von Locarno bis Domodossola. Es ist eine wilde Landschaft, voller spektakulärer Wasserfälle, urtümlicher und malerischer Dörfchen, Kastanienwälder, Weinberge und abenteuerlicher Brücken. Eine Brücke ingenieurtechnischer Höchstleistung begegnet ihm bei Intragna. Martin ist begeistert. Über Golino und Losone erreicht er schließlich Locarno.
Schon vor seiner Ankunft in Locarno hat Martin immer wieder fragend sein Smartphone aus der Tasche gezogen und nachgeschaut. Es ist keine SMS angekommen. Auch kein Anruf. Hat er nicht mit Melanie verabredet, dass sie in Locarno für sie beide ein schönes Hotel sucht, in dem sie die beiden folgenden Nächte miteinander verbringen können? Ist er nun schon so verkalkt, dass er sich in so wesentlichen Angelegenheiten täuschen kann?
Glücklicherweise hat er ihre Handy-Nummer auf seinem Smartphone gespeichert. Er ruft sie an. „The person you are calling is not available. Ihr gewünschter Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar“, bekommt er zur Antwort. ‚Shit‘, denkt er bei sich, was hat das nun schon wieder zu bedeuten? Sie sendet ihm nicht wie verabredet die SMS. Ihr Handy hat sie abgestellt. Will sie ihn versetzen und traut sich nicht, ihm das persönlich zu sagen? Hat sie inzwischen einen anderen Zeitvertreib gefunden? Soll er sich so in ihr getäuscht haben? Er schickt ihr eine SMS: „Wo bist du? Ich fahre gerade in Locarno ein. Schick mir eine SMS wo ich dich finden kann oder ruf mich an.“
Martin macht eine kleine Stadtrundfahrt durch Locarno. Vielleicht begegnen sie sich zufällig irgendwo am Hafen oder am Strand? Locarno begeistert ihn. Die Stadt liegt am Nordufer des Lago Maggiore und hat südländischen Charme. Ihre Gründung geht angeblich zurück auf eine Erscheinung der Heiligen Jungfrau Maria.
Locarno ist mit 2.300 Sonnenstunden im Jahr die wärmste Stadt der Schweiz. Südländische Pflanzen wie Palmen oder Zitronenbäume gedeihen mitten in Locarno. Das Herz von Locarno ist die Piazza Grande. Die engen Altstadtgassen laufen alle auf die Piazza zu. Am Rand der Altstadt steht das aus dem 12. Jahrhundert stammende Castello Visconteo, eine Burg, von der noch etwa ein Fünftel im ursprünglichen Zustand erhalten ist.
Am Berg über Locarno, in Orselina, liegt die Wallfahrtskirche Madonna del Sasso, deren Gründung auf eine Marienerscheinung zurückgehen soll. Martin bewundert die Wallfahrtskirche, die Heiligenstätte und die fantastische Aussicht auf die Stadt, den See und die Berge. Anschließend den Hausberg Cardada-Cimetta und die vom Stararchitekten Mario Botta entworfene Seilbahn. Er geht zu Fuß, mit seinem Velo in der Hand, durch die Altstadt zum Castello Visconteo und hinter der Piazza Grande zum mittelalterlichen Schloss mit seinem archäologischen Museum.
Martin hat Glück. Als er da ist, findet gerade, wie jedes Jahr, das internationale Filmfestival statt. Elf Tage lang genießen hier tausende Filmfans die angenehme Kulisse auf der Piazza Grande. Nur Melanie meldet sich nicht. Er schaut immer und immer wieder auf sein Smartphone.
Locarno, Yachthafen mit italienischem Ambiente
Er fährt weiter nach Ascona. Dies ist die Côte d’Azur der Schweiz. Ascona liegt am nördlichen Westufer des Lago Maggiore, auf einem Schwemmkegel. In den Wäldern oberhalb von Ascona findet man Eichen, Farne, Ginster, Erika und vor allem Birken, was den Wäldern eine helle Ausstrahlung gibt. Die Stadt Ascona ist ein mondäner Kurort, wo die reichen Leute in ihren Luxusvillen an den schönsten Hängen der Stadt verweilen. Treffpunkt sind die vielen Cafés und Restaurants an der Piazza unten am See an der autofreien Uferpromenade. Sehen und gesehen werden ist hier angesagt. Ascona ist auch eine Badestadt, denn die Maggia hat durch Aufschüttungen schöne Strände geschaffen, die bei so steilen Ufern sonst unüblich sind. Hinter der Seepromenade befindet sich der
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