E-Bike Tour de Suisse (German Edition)

45.“
    „Wenn du eine alte Schachtel bist, dann bin ich ein noch ein viel älterer Deckel, der auf die alte Schachtel perfekt drauf passt“, lacht er sie an. „Du bist eine hübsche Frau in den besten Jahren, die alles in höchster Vollendung und Perfektion vorzeigen kann, was eine Frau ausmacht. Du kannst über dein gutes Aussehen glücklich sein. Wie habt ihr das denn angestellt, dass eure Ehe so lange gehalten hat und offensichtlich immer noch so gut zusammenhält?“
    „Das ist eine sehr lange Geschichte.“ Melanie strahlt ihn an.
    Das Schiff ist nun wieder kurz vor Cannobio.
    „Was wünschen wir uns denn jetzt gegenseitig für unsere Geschichten?“, lächelt sie ihn herausfordernd an.
    Er weiß die Antwort: „Wir machen uns jetzt noch einen schönen Abend. Setzen uns in ein schickes Restaurant, genießen das gute Essen und den lauen Abend. Dann können wir im Hotel auf unserem gemeinsamen Balkon noch einen guten Wein aus dem Piemont schlotzen und dabei die untergehende Sonne genießen. Du hast mir ja schon gesagt, dass du sehr anspruchsvoll bist. Ich versichere dir, ich bin mindestens genauso anspruchsvoll. Da passen wir, glaube ich, ganz gut zusammen!“
    Sie lachen beide. Sie sind sich einig und in ihren Gedanken bereits innig miteinander vereint.

Zehnter Tag: Über Locarno Aufstieg nach Airolo
     
    Am nächsten Morgen muss Martin wieder früh raus. Das Schiff verlässt um ½ 9 Uhr Cannobio Richtung Locarno. Melanie begleitet ihn bis zum Hafen.
    „Soll ich mal eine E-Bike Deutschland Tour machen und dir dabei einen Besuch abstatten?“, lächelt er Melanie fragend an.
    „Das ist eine gute Idee“, gibt sie zur Antwort. „Es gibt bei uns ebenso wunderschöne Landschaften und herrliche Radwege, die sich lohnen. Es ist auch nicht so steil, da kann ich mit einem normalen Rad ohne Motor mitkommen. Vergiss mich nicht und schick mir eine e-Mail, wenn du den Gotthardpass überstanden hast. Ich will wissen, ob du es geschafft hast. Übermorgen sitze ich dann wieder im Zug der SBB und fahre anschließend zurück nach Deutschland.“
    Martin umarmt Melanie. Sie halten sich ganz fest und pressen sich aneinander. Nur die Hafenmauer hindert sie daran, ins Wasser zu fallen. „Du bist eine wunderbare Frau“, sagt er zu ihr.
    „Merci Vielmolls“, antwortet sie lachend in ihrem nicht ganz akzentfreien Schwyzerdytsch. „Danke, dass du mich aus dem alltäglichen Einerlei herausgeholt und mir wieder richtig Auftrieb gegeben hast. Jetzt bin ich wieder bereit zu neuen Taten.“ Sie verabschieden sich mit ganz innigen Küssen. Der Dampfer hupt. Martin muss einsteigen. Wie er auf dem Schiff ist, winken sie einander zum Abschied zu.
    Während des Aufstiegs zum Simplonpass kam Martin eigentlich zu der Überzeugung, dass er sich die Anstrengungen einer Passfahrt nicht mehr zumuten will. Melanie hat den Gotthardpass von Andermatt aus bewandert. Sie hat ihn bestärkt, nun doch den Aufstieg zu wagen. Von Locarno aus wird er losfahren.
    Auf dem Schiff fragen ihn die Matrosen, wo er herkommt und wo er hinfahren will. Als sie hören, dass er noch am selben Tag nach Airolo und schon am folgenden Tag über den Gotthard fahren will, versuchen sie ihn zu bremsen. „Das ist völlig unmöglich. Von Locarno nach Airolo brauchen Sie mit dem Velo zwei Tage“, sagen sie ihm.
    „Ich habe es etwas leichter als ein normaler Velo-Fahrer, ich habe ja einen kleinen Elektromotor dabei“, erwidert er.
    „Das haben wir schon gesehen, sie müssen trotzdem zwei Tage vorsehen. Es geht bis Airolo dauernd bergauf. Das ist auch mit einem E-Bike sehr anstrengend“, beharren sie auf ihrer Aussage.

    Von Cannobio nach Locarno
    Das Schiff überschreitet wieder die Grenze zur Schweiz. Erster Halt ist Brissago. Nächster Halt dann die Isola di Brissago, die Martin am Tag zuvor mit Melanie besichtigt hat. Aber heute fährt er weiter. Wieder zurück auf das Westufer nach Porto Ronco, dann auf das Ostufer Sant Abbondio und Gerra-Gambarogno. Nochmals auf das Westrufer nach Ascona, dann wieder zum Ostufer nach San Narazzo, Vira und Magadino. Zum Schluss wieder auf das Westufer nach Locarno. So dauert die Fahrt von Cannobio nach Locarno insgesamt etwa zwei Stunden. In Locarno mündet der Ticino, der größte Zufluss des Lago Maggiore.
    Auf der Fahrt bekommt Martin ein gewisses Gefühl für die Größe des Sees, obwohl er nur ein kleines Stück an der nördlichen Ecke des Sees entlang fährt. Der Lago Maggiore, er heißt auf Italienisch Lago Verbano, hat