E-Book - Geisterritter
helfen.«
Margaret stand hinter der Ladenkasse. Sie war ziemlich groß und so dick, dass vier Zeldas in ihre Kleider gepasst hätten. Ihre wasserblauen Augen standen leicht vor, was sie etwas erstaunt dreinblicken ließ. Zelda fragte nach ihren Enkelkindern und zählte ihr das Geld für unsere Eintrittskarten in die Hand, aber dann kam sie schnell zur Sache.
»Hör zu, Margaret!«, raunte sie ihr über den Ladentisch zu. »Ich brauche deine Hilfe. Wir müssen etwas in Ella von Salisburys Grab vergraben.«
Margaret sprangen fast die wasserblauen Augen aus dem Kopf.
»Was ist das wieder für eine Verrücktheit, Zelda?«, flüsterte sie, während sie nervös zu ihrer Kollegin hinübersah, die gerade den Postkartenständer aufstockte. »Ich hab mich damit abgefunden, dass mir Kröten um die Füße springen, wenn ich mit dir Tee trinke, aber mehr kannst du beim besten Willen nicht verlangen!«
»Himmel, Margaret, ich habe nichts von dir verlangt, seit du mich in der Schule hast abschreiben lassen!«, gab Zelda leise zurück. »Also stell dich nicht so an. Du weißt doch bestimmt, dass Ella von Salisbury das Herz ihres Mannes angeblich hier begraben hat, oder?«
Margaret legte die Stirn in Falten. »Hat sie nicht auch das ihres Sohnes hierher gebracht? Du weißt schon, der arme Junge, der vor Jerusalem zerhackt wurde … oder war das ein anderer?«
Zelda schüttelte ungeduldig den Kopf. »Keine Ahnung. Diese Herzbegraberei ist irgendwann allzu beliebt gewesen. Aber nein. Mir geht es nur um das ihres Mannes.« Zelda lehnte sich über den Tresen. »Ella hat das falsche Herz begraben, Margaret! William Longspees Mörder hat sein Herz gestohlen und Ella das seines Dieners untergeschoben!«
Margaret presste sich die Hand aufs Herz, als hätte sie Angst, jemand könnte ihr das gleiche Schicksal bescheren. »Nein! Aber das ist ja furchtbar!«
»Entspann dich!«, raunte Zelda. »Wir haben das richtige Herz. Also zeig uns, wo Ellas Grab ist, und wir bringen das Ganze in Ordnung!«
Margaret starrte die Plastiktüte an, die Ella in der Hand hielt.
»Ist es da drin?«, flüsterte sie.
Ella runzelte die Stirn. Und nickte.
Margaret schnappte nach Luft, und für einen Moment dachte ich, die Augen würden ihr wirklich aus dem Kopf fallen.
»Aber es gibt kein Grab!«, stieß sie hervor. »Es gibt nur den Gedenkstein in den Kreuzgängen, und es ist nicht mal sicher, dass sie darunter liegt!«
Ella und ich wechselten einen besorgten Blick, doch Zelda konnte eine solche Kleinigkeit nicht erschüttern.
»Was soll’s«, murmelte sie. »Dann vergraben wir das Herz eben möglichst nah bei dem Stein. Denkst du nicht auch, dass das Longspee recht wäre, Jon?«
»Longspee?« Margaret richtete die wasserblauen Augen entgeistert auf mich.
»William Longspee, Ellas Ehemann«, erklärte Zelda. »Oh, nun schau nicht so dumm drein, Margaret. Wer, glaubst du, hat uns von dem gestohlenen Herzen erzählt, wenn nicht Longspees Geist?«
Das brachte die Ärmste natürlich endgültig aus der Fassung, und Zelda musste all ihre Überredungskunst einsetzen, bevor Margaret hinter dem Ladentisch hervorkam und mit uns hinüber zur Abtei ging.
Lacock Abbey liegt so weit abseits der Straße, als hätte sie sich zwischen den Bäumen vor einer Welt versteckt, in der die Besucher schon lange nicht mehr wie Ella Longspee mit dem Pferd kommen. Margaret erzählte, dass die Abtei nicht mehr von Nonnen bewohnt wurde, seit Heinrich der Achte alle Klöster schließen ließ, aber ich glaubte, Longspees Frau hinter jedem Fenster stehen zu sehen – als hätte sie all die Jahrhunderte auf sein Herz gewartet.
»Ich glaube, du willst mich nur wieder veralbern, Zelda Littlejohn!«, stellte Margaret irgendwann mit gesenkter Stimme fest, während wir einem Touristenpaar den Pfad entlang folgten, der in den Kreuzgängen der Abtei endet. »So, wie du mir als Kind weismachen wolltest, dass es in deinem Garten Feen gibt!«
»Na gut, das mit den Feen stimmte wirklich nicht«, erwiderte Zelda. »Aber alles andere ist die reine Wahrheit.«
Margaret blickte für einen Moment so betrübt drein, als hätte sie tatsächlich gehofft, in Zeldas Garten eines Tages eine Fee zu entdecken. Aber sie verdaute die Enttäuschung schnell.
»Zwei der Aufseher«, sagte sie mit gesenkter Stimme, »behaupten, sie hätten Ela von Salisburys Geist in den Kreuzgängen gesehen!«
Ella und ich wechselten einen raschen Blick, aber Zelda schien alles andere als erstaunt.
»Ja, so etwas habe
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