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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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ich auch schon gehört«, sagte sie.
    »Was? Warum hast du davon nichts erzählt?«, fragte ich entgeistert.
    »Weil es nichts als ein Gerücht ist, Jon Whitcroft«, gab Zelda zurück. »Hast du eine Vorstellung davon, wie leicht Menschen sich einbilden, Geister zu sehen? In dieser Abtei wurden schon Dutzende gesichtet, unter anderem Heinrich der Achte und drei seiner Frauen, zwei von ihnen mit dem Kopf unterm Arm!«
    »Aber vielleicht …«, stammelte ich, »vielleicht wartet Ella auf William!«
    »Wartet?« Margaret starrte erneut mit weiten Augen auf die Plastiktüte, in der die Urne steckte. »Himmel!«
    Zelda warf ihr einen irritierten Blick zu.
    »Vielleicht«, sagte sie. »Aber vielleicht auch nicht, und vielleicht haben die Aufseher nur den Geist irgendeiner unglücklichen Nonne gesehen, die hier an der Pest gestorben ist! In dieser Abtei sind viele Frauen gestorben, nicht nur Ella von Salisbury.«
    »Aber Longspee …«, begann ich, doch Ella legte mir die Hand auf den Arm.
    »Lass uns erst mal ihr Grab finden, Jon«, sagte sie. Und damit hatte sie natürlich, wie immer, recht. Allerdings war es, wie Margaret gesagt hatte: Ella Longspee hatte kein Grab. Es gab nur einen Gedenkstein mit ihrem Namen in einem der Kreuzgänge, und Ella und ich starrten ratlos auf den gefliesten Boden, der den Stein umgab.
    »Tja!«, sagte Zelda mit gerunzelter Stirn. »Hier geht es wohl nicht. Aber dort –«, stellte sie mit einem Blick auf die Rasenfläche fest, die zwischen den Kreuzgängen lag, »– würde es Longspee sicher auch gefallen.«
    Margaret sah sie alarmiert an.
    »Keine Sorge«, raunte Zelda ihr zu. »Wir warten mit dem Graben, bis die Abtei geschlossen ist. Was denkst du? Wo verstecken wir uns am besten, damit die Wächter uns nicht sehen?«
    Offenbar liebten alle Littlejohns die Idee, sich an öffentlichen Orten einschließen zu lassen. Kathedralen, Abteien … ich fragte mich, was als Nächstes kommen würde. Margaret aber verschränkte die enormen Arme und schüttelte energisch den Kopf.
    »Zelda –!«, begann sie – und verstummte, bis sich eine Gruppe russischer Touristen an uns vorbeigeschoben hatte. »Du benimmst dich immer noch so, als kämst du mit Dingen davon, die Zehnjährige tun!«, zischte sie Zelda zu, als die Russen in einer der Seitenkammern verschwunden waren. »Du erinnerst dich bestimmt, wie es ausging, als du mich überredet hast, dich im Chemiesaal einzuschließen. Damals hab auch ich den ganzen Ärger abbekommen. Nein!«
    »Nun«, antwortete Zelda mit marzipansüßem Lächeln, »dann muss Jon dem Geist von Longspee wohl erzählen, dass du uns nicht helfen wolltest. Gib nur nicht uns die Schuld, wenn er dich dafür eines Nachts besucht. Du hast noch nie einen Geist getroffen, oder? Es kann etwas beunruhigend sein, und Longspee ist nicht die friedlichste Sorte, wie Jon dir bestätigen wird. Aber ich bin sicher, du wirst keinen allzu großen Schaden nehmen.«
    Margaret warf mir einen entsetzten Blick zu.
    »Na ja«, murmelte ich. »Er kann schon ziemlich wütend werden. Und er hat ein Schwert.«
    Margaret presste die Lippen aufeinander.
    »Also gut, Zelda!«, flüsterte sie schließlich. »Aber ich helfe euch nur, weil ich Ela von Salisbury immer bewundert habe und es ein abscheulicher Gedanke ist, dass sie vielleicht all die Jahre hier herumgegeistert ist, weil sie das falsche Herz begraben hat!«
    Zelda verdrehte natürlich die Augen über so viel Sentimentalität – Ella ist ihr in der Hinsicht ziemlich ähnlich –, aber Margaret sah das zum Glück nicht. Die Kammer, zu der sie uns führte, war kaum mehr als ein dunkles Loch, in das sich sicher nicht mal die neugierigsten Touristen verirrten.
    »Bist du sicher, dass ich die Kinder nicht besser mit mir nehmen sollte, Zelda?«, fragte sie, bevor sie uns allein ließ. »Hier würde ich auch ohne Geister vor Angst umkommen, wenn es dunkel wird!«
    »Nein, danke«, antwortete Ella an Zeldas Stelle. »Jon und ich waren nachts schon an wesentlich schlimmeren Orten.«
    Der Blick, den Margaret Zelda darauf zuwarf, drückte deutliche Zweifel an ihren Qualitäten als Großmutter aus. Aber Zelda legte mir und Ella zur Antwort nur die Arme um die Schultern und schenkte Margaret ein breites Lächeln.
    »Ella hat recht«, sagte sie. »Die zwei wissen inzwischen mehr über Geister als ich!« – eine Feststellung, die Margaret endgültig zurück hinter die Ladentheke trieb.
    In unserem Versteck wurde es tatsächlich dunkel wie in einem

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