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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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ich?
    Aleister hatte die Farbe einer verschimmelten Apfelsine angenommen und schlotterte vor Zorn.
    »Was machst DU hier?«, fuhr er mich an, während seine Augen sich in ein Paar glühender Kohlen verwandelten. »Hat der verfluchte Ritter dich etwa geschickt?«
    »Und wenn?«, gab ich zurück. »Es ist immer noch sein Herz, oder?«
    »Ich bring dich um!«, kreischte Aleister. Sein Kopf leuchtete inzwischen wie ein Kürbis an Halloween.
    »Nun, das kannst du nicht!«, gab ich höhnisch zurück. »Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich hatte in den letzten Tagen mehr als genug mit deinesgleichen zu tun.«
    In dem Moment stieß Ella hinter mir einen Entzückensschrei aus.
    »Ich hab es, Jon!«, rief sie.
    Die Urne, die sie in den Händen hielt, war aus grauem Metall –Blei, wie Aleister gesagt hatte – und mit irgendwelchen Symbolen bedeckt. Ihr Anblick ließ mich Aleister vollkommen vergessen. Ella rief mir eine Warnung zu, als er auf mich zusprang, aber es war schon zu spät. Sein bleicher Körper verschmolz mit meinem und flutete mir das Herz und den Verstand mit all seiner Wut und so vielen Bildern und Geräuschen, dass ich nicht mal mehr meinen Namen wusste.
    »Lass ihn in Ruhe!«, hörte ich Ella schreien.
    Ich fühlte, wie sie schützend die Arme um mich schlang und Aleisters Kälte ihrer Wärme wich.
    »Jon!«, rief sie, »Jon!« – und gab mir meinen Namen zurück.
    Aleister aber war ebenso plötzlich verschwunden, wie er mich angegriffen hatte, und ich kniete zitternd auf der feuchten Erde und fühlte mich entsetzlich dumm und bestimmt nicht wert, der Knappe eines Ritters zu sein.
    »Ich hätte es wissen müssen!«, stammelte ich wütend. »Ich hätte zur Seite springen sollen oder die Arme kreuzen oder …«
    »Vergiss es!«, sagte Ella und half mir auf die Füße. »Er hat mich genauso überrumpelt. Er ist ein gemeiner, kleiner Mistkerl, und ich hoffe, wir sehen ihn nie wieder.«
    Die Urne lag noch dort, wo sie sie hatte fallen lassen, um mir zu Hilfe zu kommen. Sie sah aus wie eine sehr altmodische Blumenvase. Ella hob sie auf und wischte mit dem Ärmel darüber. »Schwarze Magie«, sagte sie, als ich auf die Symbole starrte, die sie bedeckten. »Keine Sorge. Zelda sagt immer: Sie wirkt nur, wenn du daran glaubst. Lass uns zum Tor zurückgehen. Matt macht sich bestimmt schon Sorgen.«
    Den Vollbart hatte ich natürlich vollkommen vergessen. Als wir am Bischofspalast vorbeiliefen (und nein, im Dunkeln sieht er wirklich nicht wie eine Schule aus), glaubte ich, hinter einem der Fenster ein wütendes Flackern zu sehen, und in meinem Kopf hörte ich immer noch das Brechen von Glas und fühlte, wie Aleister Jindrich durch die kalte Winterluft in den Tod stürzte.
    Noch heute kommt mir manchmal ganz plötzlich eine Erinnerung, die Aleister wie einen fettigen Fingerabdruck in meinem Kopf hinterlassen hat.
    Glaubt mir. Es ist kein gutes Gefühl.

18
    Abendlied

    A ls wir zum Tor kamen, ging der Vollbart dahinter so ungeduldig auf und ab wie ein Tiger im Käfig.
    »Das hat ja ewig gedauert!«, schimpfte er. »Was denkt ihr, was eure Mütter mit mir machen, wenn sie erfahren, dass ich hier folgsam vor dem Tor warte, während ihr euch mitten in der Nacht mit einem Geist trefft? Und kommt mir jetzt nicht wieder damit, dass es nur ein kleiner war!«
    »Von mir wird Mam nichts erfahren«, antwortete ich, während ich mich über das Tor schwang. »Außerdem ist es gerade erst zehn.«
    »Genau«, sagte Ella und reichte mir die Urne herüber. »Beruhig dich, Matt. Wir hatten das Ganze wirklich im Griff.«
    Was natürlich eine Lüge war. Aber der Vollbart hatte ohnehin nichts von dem gehört, was Ella gesagt hatte. Er hatte nur Augen für die Urne.
    »Ihr habt es?«, stammelte er.
    Ich nickte und presste die Urne fest gegen die Brust. Alles war gut. Auch wenn ich mich immer noch ganz abscheulich veraleistert fühlte.
    »Wir müssen es Longspee erzählen«, sagte ich zum Vollbart. »Aber warte besser nicht hier auf uns. Vielleicht kommt Aleister uns doch noch nach.«
    Dann steuerte ich mit Ella auf die Kathedrale zu.
    Er kam uns nach. Natürlich.
    Ich blieb stehen.
    »Was soll das? Du kannst nicht mitkommen!« Ich gab mir wirklich Mühe, nett zu klingen. Schließlich hatte er in Kilmington versucht, Ella zu retten. Auch wenn er sich nicht besonders erfolgreich dabei angestellt hatte.
    »Ach ja? Warum nicht?«
    Weil Longspee mir gehört, wollte ich antworten. Aber natürlich wusste ich, wie kindisch das klang.

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