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E-Book statt Papierkonserve

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Titel: E-Book statt Papierkonserve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Michaelis
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Basis eines hochentwickelten sprachlichen Instrumentariums – hier des altgriechischen Vollalphabets – ist der Zweifel an ihren Ausdrücken möglich. Erwünscht ist dieser Zweifel nicht unbedingt.
    Das zeigt das Beispiel des Sokrates, der Platons Lehrmeister war. Sokrates ging durch die Straßen Athens und unterzog die institutionellen Fundamente des attischen Gemeinwesens einer kritischen sprachlichen Prüfung. Wissen wir, was gut ist? Haben wir eine umfassende Vorstellung von Gerechtigkeit? Seine Diskussionen zu dem Thema endeten immer mit demselben Ergebnis: dem Wissen, dass die am Dialog Beteiligten nicht wissen, was mit den Ausdrücken gemeint ist. Was für heutige Ohren so harmlos klingt, brachte dem Philosophen Sokrates 399 v. Chr. eine Verurteilung ein. Das Vergehen: Verführung der Jugend. Die Strafe: Tod durch Leeren eines Bechers mit Schierlingssaft.
    Vielleicht war Sokrates der erste Mensch, dessen Reden so bedrohlich wirkten, dass sie ihm die Todesstrafe einbrachten. Er hinterließ allerdings nicht eine geschriebene Zeile und wir wüssten nichts von ihm, wenn nicht seine beiden Schüler Platon und Xenophon ihn in ihren Schriften erwähnt hätten. Auch die Gründe seiner Richter kennen wir nur durch die Aufzeichnungen von Platon und Xenophon. Dank ihnen ist das Urteil der Nachwelt klar: Sokrates war im Recht und seine Richter im Unrecht. Seine Schüler hatten erkannt, dass nur derjenige nachhaltig wirken kann, der seinen Worten durch das Medium der Schrift Dauer und Beständigkeit verleiht.
    Platons Dialoge stellten eine neue Verwendung des Mediums Schrift dar. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, setzten die Griechen im selben Jahrhundert, in dem Platon seine Werke schrieb, gleich noch eins drauf. Ein Ausländer, der lange in Griechenland lebte und zunächst auch an Platons Akademie studierte, der zwischendurch Hauslehrer des jungen Alexander von Makedonien war, konnte mit einigen von Platons Ansichten recht wenig anfangen. Auch die Ideenlehre lehnte er ab. Stattdessen befasste er sich mit zahlreichen Themenfeldern, die mit der sichtbaren Welt, der Logik und allem jenseits des Sichtbaren zu tun hatten. Die Ethik interessierte ihn ebenfalls – hierzu verfasste er gleich drei Werke. Und auch die Rhetorik, eine damals bedeutende Disziplin, behandelte er. Überhaupt schien er sich für alles und jedes zu interessieren, wenn man es nur einer systematischen Betrachtung unterziehen konnte.
    Dieser vielseitige Denker hieß Aristoteles (384–322 v. Chr.). Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. lehrte er an einer Schule in Athen, dem Lyceum. Später wurde daraus die peripatetische Schule. Mit seinen Schriften vertiefte Aristoteles das rationale wissenschaftliche Denken, das empirische Sachverhalte und argumentative Erörterung betont, statt auf eine intuitive Schau der Ideen zu setzen. Aristoteles begründete auch eine Disziplin, mit der formal die Richtigkeit von Schlussfolgerungen geprüft werden kann: die Logik. Ein zentrales Element der aristotelischen Logik ist der Syllogismus. Bei dieser speziellen Form des Schlussfolgerns ergibt sich aus zwei Ausgangssätzen eine Schlussfolgerung. In ihrer einfachsten Form geht das so: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Schlussfolgerung: Sokrates ist sterblich.
    Aristoteles legte außerdem fest, nach welchen Kriterien man alle möglichen Gegenstände untersuchen kann. Diese Kriterien nannte er Kategorien und führte zehn von ihnen auf, darunter die Substanz, die Qualität und die Quantität. Für Aristoteles waren die einzelnen Subjekte oder Substrate Grundlagen für weiterführende Untersuchungen, keine allgemeinen Ideen oder Formen, die unabhängig von den Gegenständen gegeben sind. In diesem Sinne war er empirischer ausgerichtet als Platon. Ein einzelner konkreter Mensch oder ein konkreter Tisch war also für Aristoteles eine Substanz. Auch die Gattungen und Arten, zu denen sie gehören, bezeichnete er als Substanzen. Im Unterschied zu den konkreten, einzelnen Subjekten, die er erste Substanzen nannte, sind die Gattungen und Arten gemäß seiner Lehre zweite Substanzen.
    Interessanterweise hatte Aristoteles schon im Blick, dass wir alle Feststellungen immer in einem bestimmten Medium treffen – es sind immer sprachliche Aussagen. Untersuchen, einordnen, schlussfolgern, vom Einzelnen zum Allgemeinen vorgehen und vom Allgemeinen auf das Einzelne schließen, Ursachen suchen und Strukturen herausarbeiten – diese wissenschaftlichen

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