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können wir uns die Hand reichen. Maxine hat nie viel getrunken. Aber wenn sie es doch einmal tat, dann Whiskey sour. Ja, und wir haben immer diese aufgespießten Früchte dazu bestellt. Für gewöhnlich haben wir dann die kleinen Plastikschwerter genommen und in einem fairen Kampf den Sieger ausgefochten.“
Ich sah ihn an, sah die Krähenfüße und die tiefen Falten in seinem Gesicht. Er war noch immer ein recht attraktiver Mann, und seine Augen waren so wach wie die eines Teenagers. Gleichzeitig lag in seinem Blick aber auch etwas von der irritierenden Intensität eines Menschen, der in seinem Leben zu viel gesehen hatte. Der zu früh alt geworden ist. Dennoch, als er die Sache mit dem Schwertkampf erzählte, erkannte ich für einen kurzen Moment den jungen Mann wieder. Den, der noch nicht alles gesehen hatte.
„Mein Vater trank gern Manhattans.“
„Ich habe viel von Ihrem Vater gehört. Damals, als
Simple Simon
rauskam. Sie haben mich von einer Lesung zur nächsten geprügelt, bis ich endlich eine Entscheidung traf: meine Bedingungen, keine Presse, keine Signierstunden. Das Buch steht für sich. Aber Ihr Vater … Ich glaube, er und ich hätten uns einen scheiß Wettstreit liefern können.“
„Hört sich so an, als ob Lou und Sie sich auf Key West einen scheiß Wettstreit geliefert hätten.“
„Stimmt. Und es ist dieser Scheiß, den ich vermisse.“ Er nahm sein Bier.
„Poetisch.“
„Dachte, es würde Sie beeindrucken.“
„Erzählen Sie mir von Ihrem neuen Buch.“
„Es ist eine Liebesgeschichte.“
„Okay.“
„Sie umspannt einen Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren. Mit zwei Frauen im Zentrum. Und einem Mann.“
„Eine Dreiecksgeschichte. Gefällt mir.“
„Und es ist ein Gedicht.“
Das Bier fing an, mir im Magen zu brennen.
„Ein Gedicht?“
„Ja. Ein Liebesgedicht.“
„Ein einziges Gedicht?“
„Etwa in der Tradition von Chaucer. Oder dem
Beowulf
. Ein episches Gedicht.“
„Ich verstehe. Und wie
lang
ist dieses epische Gedicht?“ wollte ich wissen, während ich mir das Fiasko mit einem Buch vorstellte, das niemand außer den intellektuellsten Kritikern und eingefleischtesten
Simpel Simon
-Fans lesen wollen würde.
„Ich glaube, Sie können noch ein Bier vertragen.“ Er gab mir eine zweite Flasche Corona aus dem Eimer und wartete, bis ich die Flasche geöffnet hatte. „792 Seiten.“
Neben meinem Magen brannte nun auch mein Herz so lichterloh wie die Fackel des olympischen Feuers.
„Haben Sie vielleicht eine Magentablette?“
„Sie sollten sich keine Meinung bilden, bevor Sie es nicht gelesen haben. Trinken Sie.“
Er gab mir seine Packung mit den Säurekillern.
„Ich versuche jetzt, ganz ruhig zu bleiben“, sagte ich, als ich auf den mir inzwischen so vertrauten Lutschtabletten herumkaute. „Aber soll ich Ihnen mal was sagen, Roland? Ich züchte mir gerade ein Magengeschwür beachtlichen Ausmaßes heran. Wann sagen Sie Maria endlich, dass sie uns umbringt? Nach zwei Litern Bier und der Nachricht, dass ich soeben ein 792 Seiten starkes Gedicht geerbt habe, kann ich nicht einfach nach Hause gehen und ihre feurigen Maismehltaschen verspeisen.“
„Ich kenne das Problem. Sie kocht Unmengen von Gerichten, die ich nicht runterkriege und heimlich wegwerfe. Aber es ist … ihre Geste. Mit welcher Hingabe sie die Chilischoten und den Koriander züchtet. Da kann ich nicht hingehen und sagen, dass mir ihr Geschenk nicht gefällt. Es ist, als würde man … nun ja … haben Sie so was denn noch nie vorgespielt?“
„Wie beim Sex, meinen Sie? So tun als ob?“
„Genau.“
Ich machte der Kellnerin ein Zeichen und bestellte zwei Tequila. Dann wandte ich mich wieder Roland zu. „Nein. Ich dachte, ich hätte es erwähnt. Zu der Zeit, als ich mit einer gewissen Regelmäßigkeit Sex hatte, lebte ich noch in New York City, Roland. Es sei denn, Sie zählen Telefonsex mit.“
„Nein, zählt nicht, obwohl es mich schon interessieren würde, was für Geschichten Sie sich dabei ausdenken. Aber im Ernst: Warum spielen Frauen den Männern was vor?“
„Aus Bequemlichkeit. Oder weil der Typ schlecht im Bett ist. Oder weil sie seine Gefühle nicht verletzen wollen.“
Sein Blick wurde schmal. „Genau. Diese Frau hat den ersten Preis verdient.“ Er gab mir noch ein Corona, und ich kam mir plötzlich wie ein knallharter Biertrinker vor. In meinem Kopf begann es langsam, dumpf zu pochen und zu hämmern.
„Es ist ein Geschenk!“
„Entschuldigung, ich habe den Faden
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