e-Motion
verloren.“
„Der vorgespielte Orgasmus. Ein Geschenk. Ein Geschenk, das sie dem Mann macht. Er hat es versucht, und die Geste schätzt sie und macht ihm ihrerseits ein Geschenk. Wenn ich Maismehltaschen esse, dann ist das ein gigantischer getürkter gastronomischer Orgasmus.“
„Das große O.“
„Ja.“ Ganz offensichtlich zufrieden mit der bizarren Erklärung seiner masochistischen kulinarischen Beziehung zu seiner Haushälterin ließ er den Blick über den Strand schweifen.
Aus der Tiki Bar drangen die Klänge eines miesen Remakes des einstigen Discoklassikers „Knock On Wood“.
„Lassen Sie uns tanzen.“
„Ich tanze nicht. Nicht wirklich jedenfalls. Ich meine, früher …“, stammelte ich. Die Kombination aus Bier und Hitze machte mich ausgesprochen träge.
„Nun kommen Sie schon!“
Er nahm meine Hand und zog mich von meinem Stuhl. Wir begannen, uns mehr oder weniger wie zwei Marathontänzer am Ende der Vorstellung im Takt zu wiegen – wie zwei betrunkene Partygäste, die sich gegenseitig stützten und mühsam von einem Fuß auf den andern traten. Es war so eine Art Bein-langsam-anheben-Schritt-sich-festhaltennäcster-Schritt-Tanz.
„Könnten Sie mir das Tanzen nicht beibringen? Ich meine: richtig tanzen? So nach Disco-Art.“
„Nicht jetzt. Nicht bei der Hitze. Und ich bräuchte vorher erst den einen oder anderen Tequila. Aber selbst dann, mein Gott, es ist so lange her, dass ich in den Clubs unterwegs war. Ich bin mir nicht sicher, Roland.“
„Doch. Sie müssen. Versprechen Sie es mir. Morgen Abend. Versprechen Sie’s.“
„Was versprechen? Dass ich Ihnen beibringe, Disco zu tanzen?“
„Exakt.“
„Also gut. Ich verspreche es. Kann ich mich jetzt wieder hinsetzen?“
Wir nahmen Platz und plauderten oder plauderten manchmal auch nicht, sondern genossen einfach die Stille. Wir bestellten Tequila und kippten ihn – Zitronenschnitz und Salz auf dem Handrücken – in einem Zug runter. Ein weiterer Eimer mit Coronas wurde geleert, bis ich vollends betrunken war. Irgendwann dazwischen sind wir auf Michael Pearton zu sprechen gekommen.
„Er ist sehr talentiert“, sagte Roland zwischen zwei Schluck Bier. „Nicht so gut wie ich in meiner Jugend, aber durchaus bemerkenswert. Verflucht bemerkenswert.“
Ich nahm mir einen Eiswürfel aus dem Eimer und hielt ihn gegen meine Schläfen. Es ist kein gutes Zeichen, einen Kater zu kriegend, während man noch trinkt.
„Er glaubt, er liebt mich.“
„Und?“
„Liebe ist … für mich im Moment eine viel zu komplizierte Angelegenheit.“
„Wann ist sie denn weniger kompliziert?“
„Nie.“
„Sehen Sie. Dann liegt es vielleicht … Was fühlen Sie denn für ihn?“
„Wir haben uns ja noch nie gesehen. Wir telefonieren nur. Telefonsex ist eine prima Sache. Unkompliziert.“
„Offensichtlich findet er das nicht.“
„Im Grunde findet er es unmöglich. Aber es ist so schön einfach über das Telefon. Keine Körperflüssigkeiten oder nasse Flecken auf dem Bett, Roland. Es ist perfekt.“
„Nichts ist perfekt. Und nichts ist für immer. Die zwei Grundwahrheiten unseres Lebens.“
Ich dachte über Rolands Worte nach. Der Nachmittag schien im Alkoholnebel unterzugehen, wie die Sonne am Himmel hinter dicken Wolken verschwindet. Gegen halb sechs rappelten wir uns von unseren Stühlen hoch. Der 170-Kilo-Kellner wirkte mit zusammengekniffenen Augen noch massiger.
„Ich rufe dir ein Taxi, Rollie. Lass Ethel hier stehen. Wir bringen sie dir schon nach Hause.“
Roland warf ihm die Schlüssel zu, und ich schlief auf dem Barhocker ein, während wir auf das Taxi warteten. Roland tippte mir auf die Schulter.
„Es ist die Hitze“, murmelte ich. „Ich brauche einen Kaffee. Ich kann ohne Kaffee nicht so viel trinken. Das gehört zusammen wie Yin und Yang.“
„Rauchen und trinken vielleicht. Aber Kaffee?“
„Fragen Sie nicht. Bestellen Sie einfach einen.“
„Das Taxi ist da. Wenn Sie unbedingt einen brauchen, dann kochen wir einen, wenn wir zu Hause sind.“
In einem bierseligen Zustand der Trägheit machten wir uns auf den Weg.
„Ihnen ist klar, dass ich nichts essen kann, hoffe ich.“
„Sie müssen. Wenigstens ein bisschen, sonst wird sie böse.“
„Wer hat bei Ihnen eigentlich das Sagen?“
„Jeder Mann, der glaubt, er könne mit einer Frau leben, ohne dass sie irgendwann die Hosen anhat, ist ein Dummkopf.“
Maria erwartete uns bereits in der Tür, bewaffnet mit einer in ein Glas gefüllten Flüssigkeit,
Weitere Kostenlose Bücher