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e-Motion

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Titel: e-Motion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Orloff
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mit Beruhigungsmitteln und anderen Pillen zudröhnen wollte. Ich hasste es zu fliegen.
    „Weiß Michael Pearton wenigstens, dass du kommst?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Was ist, wenn er weggefahren ist?“
    „Dann hat er seine Chance verpasst.“
    „Einfach so? Der Typ ist nicht zu Hause, und du sagst: Vergiss es?“
    „Wenn das Schicksal will, dass wir zusammenkommen, dann werden wir es, wenn das Schicksal will, dass wir nicht zusammenkommen, dann wissen wir auch Bescheid.“
    „Schicksal.“
    „Genau. Gott. Schicksal. Bestimmung.“
    „Seit wann glaubst du ans Schicksal?“
    Ich dachte an Roland Riggs, dessen Frau von einer Kugel aus dem Leben gerissen wurde. Ich dachte an Maria, die von einem Arschloch von Mann – der zufällig gern fischen ging – auf dieses winzige Eiland geschleppt wurde. Viele leere Jahre lang wandelten Roland und Maria wie Tote unter den Lebenden. Und dann passierte es, dass ein Pulitzer-Preisträger dank ein paar Takten Discomusik in seinem Haus seine neue Liebe gefunden und um sie geworben hat. Sie haben sich gekriegt. Schicksal.
    „Ich weiß nicht. Ich tue es einfach. Jetzt. Es ist zu kompliziert, um es zu erklären, und ich bin zudem etwas benommen im Kopf. Ich glaube, ich brauche noch eine Beruhigungstablette.“
    „Wie viele hast du schon genommen?“ fragte Lou.
    „Fünf.“
    „Mein Gott, Cassie, das würde ein Pferd umhauen.“
    „Ich bin ein echtes Vollblut und stehe noch.“
    Über die cremefarbenen Ledersitze hinweg griff Lou nach meiner Hand und drückte sie.
    „Ich glaube, Cassie, dass er da ist, wenn du nach London kommst. Und ich denke, wenn du den Dingen ihren Lauf lässt, dann wird sich am Ende alles finden.“
    Ich sah Lou scharf an. „Könnte aber auch sein, dass es einfach grauenhaft wird. Ich könnte ihn dabei beobachten, wie er nach dem Frühstück die Zeitung pedantisch zusammenfaltet und zu dem Schluss kommen, dass ich mich vor ihm ekele. Beziehungen funktionieren nämlich so, musst du wissen.“
    „Deine
Beziehungen funktionieren so. Denk an Helen und mich – möge ihre Seele in Frieden ruhen.“
    „Na siehst du, da hast du’s doch schon.“
    „Was?“
    „Du verliebst dich und willst ewig mit dem Menschen zusammenbleiben, und dann stirbt er.“
    Lou hielt noch immer meine Hand. Ich entzog sie ihm und strich mir damit eine Strähne aus dem Gesicht, die mir über ein Auge gefallen war. „Cassie“, sagte er leise, „es ist nicht deine Mutter, auf die du wütend bist, es ist das Leben. Menschen gehen fort, und Punkt. Sie gehen ihren Weg; sie werden krank; sie sterben. Das ist das Leben, meine Kleine. Das ist das Leben. Aber was hast du davon, wenn du deswegen aufhörst, dein eigenes vernünftig fortzusetzen?“
    Ich sah ihn an, bis ich den Blick abwenden musste, weil ich fürchtete, sonst in Tränen auszubrechen. Ich rückte ein wenig ab und starrte auf meine Uhr, um mich auf die einzelnen Ziffern zu konzentrieren, die zu schwimmen schienen.
    „Bevor ich in das Flugzeug steige, muss ich was trinken.“
    „Es ist gerade mal elf Uhr.“
    „In London fängt jetzt die Happy Hour an.“
    Er seufzte. „Okay, wir besorgen dir einen Cocktail, und ich bete zu Gott, dass du lebend in London ankommst.“
    „Sag das lieber unserem Piloten.“
    Lou öffnete den Kofferraum und holte meinen einen Koffer heraus. Es war ein kleiner, in dem Klamotten für vier Tage jedoch genug Platz hatten. Ich hatte mir überlegt, dass ich mein Glück nicht herausfordern wollte, indem ich so lange blieb, bis ich die Nase von Michael gestrichen voll hatte, nur damit ich hinterher befriedigt behaupten konnte, dass ich es ja gleich gesagt hatte.
    Wir liefen eine gute Weile zu meinem Terminal und schauten uns dann nach einer Bar um.
    „Einen Tequila, in einem Schnapsglas, randvoll bitte“, sagte ich zu dem Barmann, der mit seiner platten Nase und dem pockennarbigen Gesicht so aussah, als wäre ein paar Mal zu oft zusammengeschlagen worden. Die gedämpften Geräusche und die ganze Atmosphäre des Flughafens gaben mir das Gefühl, unter Wasser abgetaucht zu sein. Das und die Beruhigungsmittel. In meiner Fantasie ließ ich mich zurückfallen in den warmen Ozean Floridas im August, wie schwerelos dahintreibend in dem salzigen Wasser. Ich kippte meinen Tequila hinunter, stellte das Glas mit einem Knall auf dem Tresen ab und machte mich mit Lou an meiner Seite, der meinen Rollkoffer hinter sich herzog, auf den Weg zur Sicherheitskontrolle.
    Als wir in der Warteschlange standen,

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