Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
machte eine abfällige Handbewegung. Die Liberties waren eines der berüchtigsten Armenviertel Dublins. Es begann gleich hinter der St.-Patricks-Kathedrale und würde dieses majestätische Bauwerk bald von allen Seiten umschlossen haben, wenn es so weiterging.
Brendan zog eine Grimasse, als packte ihn plötzlich Ekel. »Mein Gott, was bin ich jetzt doch froh, dass du in dieser Pension wohnen kannst. Denn in dieses dreckige Loch hätte ich dich auf keinen Fall mitnehmen können!«
»Ist es wirklich so schlimm?« Enttäuschung stand in Éannas Augen. Sie hatte gehofft, dass die Zeit der Trennung nun vorbei war. »Emily und ich müssen schon heute eine andere Bleibe suchen, denn die zwei Wochen, für die uns Patrick O’Brien die Unterkunft in der Pension bezahlt hat, sind vorbei.«
Brendan legte die Stirn in Falten, doch gleich machte er wieder eine aufmunternde Miene. »Sorg dich nicht! Wir finden eine Lösung. Wenn ich bald mehr verdiene und du vielleicht auch Arbeit findest, können wir irgendwo ein Zimmer für uns beide mieten.«
»Ich fange gleich heute an, Arbeit zu suchen«, versprach Éanna und zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln.
Doch vor Brendan konnte sie ihre Mutlosigkeit nicht verstecken. Er schaute ihr tief in die Augen. »Du weißt doch, worüber wir so oft gesprochen und was wir uns fest vorgenommen haben, nicht wahr?«
Éannas Augen leuchteten auf. »Ja, wir werden nach Amerika auswandern!« Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, in welch weiter Ferne dieses Ziel lag. Denn auch die billigste Passage war nicht unter drei, vier Pfund pro Kopf zu haben. Und so viel Geld zusammenzusparen war selbst dann noch ein mühsames und langwieriges Unterfangen, wenn man eine leidlich gut bezahlte, feste Arbeitsstelle hatte und sich jeden Penny vom Mund absparte!
Brendan schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln. »Irgendwie schaffen wir es schon, Éanna.« Er ergriff ihre Hände und drückte sie. »Ich weiß es ganz sicher! Und wenn auch du den Glauben daran nicht verlierst, wird keine Macht der Welt uns davon abhalten können, unseren Traum in die Tat umzusetzen!«
»Ich glaube ja daran!«, versicherte sie und erwiderte sein Lächeln tapfer, obwohl ihr das Herz schwer war.
»Gut!« Er strahlte sie an und gab ihr einen schnellen Kuss. Schon wollte er loslaufen, als ihm etwas Wichtiges einfiel und er sich noch einmal zu ihr umdrehte.
»Mach dir keine Sorgen wegen der Unterkunft. Ich werde mich umhören und zur Not nehme ich dich doch mit in unser gemütliches Kellerloch.« Brendan grinste unverhohlen. »Komm heute Abend so gegen acht in die Meath Street!«, trug er ihr noch hastig auf. »Das ist eine der größeren Straßen im Westteil der Liberties. Ist ganz leicht zu finden. Frag nach Charley’s Shebeen . Das ist eine illegale Kellertaverne. Die kennt dort jeder, der da wohnt. Der Zugang befindet sich in einer Seitengasse zwischen zwei Mietshäusern. Keine Sorge, du findest es schon. Außerdem werde ich Ausschau nach dir halten.«
»Und was hast du dort zu schaffen, wenn das eine illegale Taverne ist?«, fragte sie ebenso verwundert wie beunruhigt.
Er zuckte die Achsel. »Ich verdiene mir da nachts noch ein paar Pence Handgeld. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Aber das erklär ich dir alles heute Abend!« Er gab ihr einen letzten Kuss und rannte los.
Éanna blickte ihm mit gemischten Gefühlen nach, bis er auf der anderen Seite des Platzes um eine Straßenecke bog und aus ihrer Sicht verschwand. Sie war froh und dankbar, dass sie Brendan endlich wiedergefunden hatte. Und dass er ihr ganz offen seine Liebe gestanden und sie so leidenschaftlich geküsst hatte, hätte sie unter anderen Umständen wunschlos glücklich gemacht.
Aber ihre Freude wurde von der schmerzlichen Erkenntnis getrübt, dass Brendan ihr nicht vertraute. Denn er konnte sich noch so oft entschuldigen. Er hatte sie verletzt und die Wunde würde nicht so schnell wieder heilen.
Plötzlich fiel es ihr siedend heiß ein, dass sie Brendan etwas ausnehmend Wichtiges verschwiegen hatte. Obwohl der Begriff verschwiegen nicht der richtige Ausdruck dafür war. Denn sie hatte ihm diesen Teil ihrer Geschichte eigentlich gar nicht vorenthalten wollen. Sie war nur durch seinen Eifersuchtsausbruch nicht mehr dazu gekommen, ihm davon zu erzählen. Nämlich das, was sie Patrick O’Brien in dem Telegramm als Gegenleistung für sein rettendes Eingreifen in Ballymore Eustace versprochen hatte. Und dass sie ihn deshalb heute und an
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