Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
es auch ihr gelingen sollte, eine regelmäßige Arbeit zu finden.
Sie hatte die Pension erreicht, aber bevor sie hineinging, hielt sie noch einmal kurz inne. Nachdem sie Brendan nun endlich gefunden hatte, musste die Arbeitssuche Vorrang vor allem anderen haben, nahm sie sich fest vor. Denn nur wenn sie beide Arbeit hatten und hart sparten, würde ihr Traum von der Auswanderung nach Amerika eines Tages in Erfüllung gehen. Und dass dieser Traum greifbar nahe war, bewiesen fast täglich Hunderte ihrer Landsleute, die sich auf den Überseekais drängten und an Bord eines der vielen amerikanischen, englischen und irischen Segelschiffe gingen, um ihr Glück jenseits des Ozeans zu suchen.
Éanna fühlte sich ein wenig erleichtert, als sie zu dem Schluss gekommen war, dass Brendan nichts von ihren heimlichen Treffen mit Patrick O’Brien erfahren musste. Und auf Emilys Stillschweigen würde sie blind vertrauen können.
Das liebe Gesicht ihrer Freundin blickte Éanna schon neugierig entgegen, als sie die Treppen zu ihrer Kammer im Journey’s End erklomm. »Schnell, Éanna, komm in mein Zimmer!«, rief Emily ihr aufgeregt zu und packte sie am Arm, um sie hinter sich her in ihre Kammer zu ziehen. Dann schloss sie die Tür und drehte sich zu Éanna um, die sich langsam aus ihrem Mantel schälte, bevor sie sich erschöpft aufs Bett fallen ließ.
»Und, was ist passiert? Nun sag schon! Ich sehe doch an den Sorgenfalten auf deiner Stirn, dass du über irgendetwas nachgrübelst.«
Éanna seufzte. »Da hast du vollkommen recht.« Erleichterung durchströmte sie, als ihr bewusst wurde, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine war. Sie hatte eine wunderbare Freundin an ihrer Seite, deren Loyalität sie sich gewiss sein konnte. Und so begann sie zu erzählen, was sich nach der Messe zwischen ihr und Brendan ereignet hatte.
Emily blickte nachdenklich drein, als Éanna mit ihrem Bericht am Ende war. »Dein Liebster wird also heftigst von Eifersucht geplagt, ja? Und du glaubst wirklich, dass er das in Zukunft besser im Griff hat?«, fragte sie skeptisch.
»Er hat es mir versprochen.«
»Na, ich weiß nicht. Eifersucht ist nicht so leicht auszureißen wie ein Bündel Unkraut, Éanna! Zumal da noch die Sache mit Mister O’Brien hinzukommt. Dass du ihm das verheimlichen willst, mag ja richtig sein. Fragt sich nur, ob es nicht doch irgendwann herauskommt. Und dann steckst du ganz dick im Schlamassel!«, prophezeite Emily.
»Das kriege ich schon hin, wenn du nur den Mund hältst und mir dabei hilfst!«, versicherte Éanna.
»Na klar tue ich das. Ist doch Ehrensache!«, versprach Emily. »Aber eine Garantie ist das noch lange nicht, dass die Sache damit auch wirklich gut ausgeht.«
»Darüber will ich mir heute nicht den Kopf zerbrechen. Jetzt will ich erst einmal hören, was du zu erzählen hast«, lenkte Éanna von dem unerfreulichen Thema ab.
Emily sah sie mit zweifelnder Miene an, respektierte dann jedoch ihren Wunsch und nickte.
»Gut, du musst es wissen«, sagte sie, dann kehrte auch schon der fröhliche Ausdruck auf ihr Gesicht zurück. »Und ehrlich gesagt – ich platze auch bald, wenn ich meine Neuigkeiten nicht endlich loswerde. Gestern Abend habe ich mit Sarah und Ria gesprochen, den beiden Plunkett-Schwestern aus Kerry, die sich am Ende des Gangs eine Kammer teilen.«
Éanna nickte. Sie hatte bisher nur wenige Worte mit den beiden Mädchen gewechselt. Nicht weil sie ihr unsympathisch gewesen wären, sondern weil sie von morgens bis abends fieberhaft nach Brendan gesucht hatte. Und bei den Mahlzeiten duldete ihre Wirtin keine Unterhaltung, weil das angeblich nur den Hang zur Schwatzhaftigkeit nährte. Aber sie wusste, dass Emily sich mit ihnen ein wenig angefreundet hatte.
»Und?«
Emily grinste. »Hast du gewusst, dass ihr großer Bruder, der es schon vor einem Jahr nach Amerika geschafft hat, ihnen jeden Monat Geld schickt, damit sie nicht irgendwo in einem feuchten Kellerloch hausen müssen?«
»Nein, ich habe nur mitbekommen, dass sie eine gute Arbeitsstelle in einer Fabrik haben.«
Emily verzog das Gesicht. »Von dem Lohn dort hätten sie doch nie und nimmer ihr Zimmer hier bezahlen können.«
Éanna zuckte die Achseln. »Dann können sie dankbar sein, dass sie so einen verantwortungsbewussten großen Bruder haben, der sie nicht vergessen hat«, sagte sie und fragte sich insgeheim, warum Emily ihr das alles erzählte.
»Ja, Sarah und Ria können Gott wahrlich auf Knien für ihren Bruder danken!«,
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