Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Anstellung hättest!«
»Na ja, besonders fürstlich ist der Lohn aber nicht, der da gezahlt wird«, schränkte Éanna ein. »Wir müssen morgens um sieben anfangen und bis um sechs an den Maschinen stehen. Und für die elf Stunden Plackerei sechs Tage die Woche gibt es gerade mal sechs Shilling und sechs Pence. Da bleibt nicht viel, was man für eine Amerikapassage sparen könnte.«
Dieser Einwand, so berechtigt er auch war, konnte seine Freude jedoch nicht zu trüben. »Aber es ist ein hoffnungsvoller Anfang, Éanna!«
Sie nickte. »Und außerdem sind wir die Sorge los, wo wir unterkommen sollen. Denn Alice Stapleton, eine Bekannte der Schwestern, die ebenfalls in der Spinnerei arbeitet, hat ein Zimmer an Emily und mich vermietet!«
Für einen flüchtigen Moment war Éanna versucht, Brendan auch von ihrer Abmachung mit Patrick O’Brien und ihrem Besuch bei ihm zu erzählen. Aber schon im nächsten Augenblick gewann wieder die Furcht die Oberhand, damit nur neuen Streit heraufzubeschwören. Die sonntäglichen Treffen in der Dorset Street blieben besser ihr Geheimnis.
»Da fällt mir ein riesengroßer Stein vom Herzen! Ich hätte dir wirklich nur ungern zugemutet, in dem Loch zu wohnen, das Aidan und ich uns teilen.« Brendan strahlte sie liebevoll an. »Und überleg mal! Wenn ich jetzt auch noch eine richtige Arbeit finde, kann ich die vier Pence, die mir Charley jede Nacht zahlt, sparen. Zusammen sollten wir dann jede Woche einen, vielleicht sogar zwei Shilling für die Überfahrt zurücklegen können.«
Éanna wollte sich jetzt nicht ausrechnen, wie viele Monate sie durchhalten mussten, bis sie die nötigen zehn bis vierzehn Pfund zusammenhatten, die eine Überfahrt kosten würde. Und damit war es ja beileibe nicht getan. Außerdem würden sie sich neben einer zweiten Garnitur Kleider eigenen Reiseproviant kaufen müssen. Denn es war bekannt, dass viele Schiffe während der langen Reise nur klägliche Rationen an die Passagiere im Zwischendeck austeilten, die kaum zum Überleben reichten.
»Wofür bezahlt dich dieser Charley überhaupt?«, fragte Éanna, um nicht mehr daran denken zu müssen, in welch unerreichbarer Ferne ihr gemeinsamer Traum lag.
»Dafür, dass ich hier an der Ecke der Gasse stehe und ihn früh genug warne, sowie ein Konstabler auftaucht«, erklärte er. »Denn was er da unten betreibt, ist eine illegale Schenke. Wenn er erwischt wird, wandert er ins Gefängnis. Deshalb muss er die Kellertür verrammeln, wenn sich hier ein Konstabler herumtreibt, und dafür sorgen, dass seine Zecher sich möglichst ruhig verhalten.«
»Und er zahlt dir nur lumpige vier Pence dafür, dass du hier die halbe Nacht in der Kälte stehst?«, sagte sie empört. »Das ist genauso ein Hungerlohn wie der, den man dir für das Rattenfangen bezahlt.« Voller Mitgefühl sah sie ihn an und streichelte seine Hand.
Er verzog das Gesicht. »Es gibt Schlimmeres. Außerdem muss ich hier nur bis Mitternacht aushalten. Dann wird es sogar den Prügelknaben von Konstablern zu kalt, um noch durch die Viertel zu streifen und nach Opfern zu suchen. Und ich weiß ja, wofür ich das alles mache.« Er lächelte sie an. »Hast du eine Ahnung, was in Amerika ein Morgen fruchtbares Land kostet?«
»Nein, woher auch?«
»Aber ich! Ich habe vorhin ein Stück Zeitung in die Hand bekommen. Eine ganze Seite mit Anzeigen von Schiffsagenten und Meldungen über Schiffe, die Auswanderer nach Amerika bringen, und all solche Sachen. Und dazwischen war auch ein kleiner Artikel über einen Landstrich in Amerika, der sich Wisconsin nennt. Da soll es noch massenhaft gutes und billiges Ackerland geben. Jedenfalls soll der Morgen dort einen Dollar und fünfundzwanzig Cent kosten.«
»Ist das nun viel oder wenig?«, fragte sie unsicher nach.
»Ich habe jemanden gefragt, der sich mit der amerikanischen Währung auskennt. Der hat mir gesagt, dass ein Morgen umgerechnet fünf Shilling und drei Pence kostet.«
»Das muss aber auch erst einmal verdient sein!«, gab Éanna zu bedenken.
Er lachte sie an. »Ja, hier in Irland hätten wir gewiss nie eine Chance, genug Geld für ein paar Morgen Land und ein kleines Häuschen zusammenzusparen. Aber in Amerika soll jeder, der hart zu arbeiten bereit ist, sich diesen Traum schon nach wenigen Jahren erfüllen können! Stell dir mal vor, wie das wäre, wenn wir uns eine eigene kleine Farm aufbauen könnten! Nicht Kleinpächter sein, die von Verwaltern und Großgrundbesitzern geknechtet und ausgebeutet werden,
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