Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Holzschemel und rauchte eine langstielige Tonpfeife.
»Könnt Ihr mir sagen, wo ich Charley’s Shebeen finden kann, guter Mann?«, fragte sie höflich.
Der zahnlose Alte musterte sie mit gefurchter Stirn. »Charley’s Shebeen? Das ist kein Ort für dich, Mädchen!«, nuschelte er mit kratziger Stimme. »Jedenfalls siehst du mir nicht so aus, als hättest du bei dem Gesocks, das sich da herumtreibt, etwas verloren!«
»Ich weiß, aber ich muss jemandem eine Nachricht überbringen«, log sie.
Der Alte zuckte die Achseln. »Am Durchgang zu diesem üblen Loch bist du schon ein gutes Stück vorbei. Der ist da drüben, gleich hinter Matlocks Todesfalle!« Dabei deutete er quer über die Straße auf ein Mietshaus, das mit seiner rissigen Fassade so aussah, als stünde es kurz vor dem Einsturz.
Éanna dankte ihm, lief auf die andere Straßenseite hinüber und stand Augenblicke später vor dem schmalen Durchgang zwischen den beiden Mietshäusern. Die schmale Schlucht zwischen den nackten Backsteinwänden war kaum breit genug, dass zwei Personen einander passieren konnten, ohne sich aneinander vorbeizwängen zu müssen. Vom hinteren Ende drangen ein schwacher Lichtschein und raukehlige Stimmen aus einem Kellereingang in die finstere Gasse.
Gerade wollte Éanna sich hineinwagen, als zwei Gestalten lachend aus dem Kellereingang kamen und in den Durchgang traten. »Brendan?«, rief sie, glaubte sie ihn doch im Kellerlicht erkannt zu haben. »Bist du das?«
»Éanna!«, kam es sogleich zurück.
Er war es wirklich! Schnell eilte er zu ihr, gefolgt von seinem Begleiter, der von untersetzter, gedrungener Gestalt war und das lange dunkle Haar im Nacken zu einem Zopf gebunden trug.
»Ich dachte, du wolltest nach mir Ausschau halten«, sagte sie mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
»Das habe ich auch. Ich stehe eigentlich immer hier an der Ecke als Aufpasser. Aber dann hat mich Charley kurz zu sich gerufen, damit ich ihm dabei helfe, ein neues Fass in seine Schenke zu schleppen«, entschuldigte er sich und gab ihr einen flüchtigen Kuss.
»Dann ist dir verziehen«, sagte sie lächelnd und wünschte sich, er würde sie noch einmal so küssen wie am Morgen, als sie alles um sich herum vergessen hatten.
Der Fremde, der hinter Brendan aus der Gasse trat, blieb bei ihnen stehen und sah sie mit einem breiten Grinsen an.
»So, du bist also Éanna Sullivan!«, sprach er sie an. »Hab schon ’ne Menge von dir gehört.« Sein Atem roch sogar aus zwei Schritten Entfernung noch intensiv nach Bier.
»Ja?« Fragend sah sie Brendan an.
»Das ist Aidan Macaulay, von dem ich dir heute Morgen erzählt habe«, stellte Brendan ihr seinen Begleiter vor.
Freundlich nickte sie Aidan zu. »Und, hat Brendan die Stelle in der Fleischfabrik bekommen?«, erkundigte sie sich aufgeregt. »Er hat mir nämlich erzählt, dass du ihm zu einer Arbeit verhelfen wolltest.«
»Na ja«, dämpfte Aidan Macaulay ihre Erwartungen, »mehr als eine kleine miese Beschäftigung war leider nicht drin.«
Brendan zuckte die Achseln. »Arbeit ist Arbeit, Aidan. Und ich kann jeden lausigen Penny gebrauchen.«
»Und was ist das für eine Arbeit?«, wollte Éanna wissen.
Brendan verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Ich bin da nun für sechs Pence der sonntägliche Rattenfänger.«
Éanna machte ein verdutztes Gesicht. »Der Rattenfänger?«
Brendan winkte ab. »Frag besser nicht weiter, Éanna. So genau willst du es gar nicht wissen, glaube mir!«
»Doch, will ich schon«, widersprach sie.
»Warum erzählst du es ihr denn nicht, wenn sie es unbedingt hören will?«, fragte Aidan Macaulay spöttisch. »Oder ist dein rosiges Herzchen vielleicht so empfindlich, dass es ihr gleich auf den Magen schlägt?«
Éanna spürte Zorn in sich aufsteigen. Wie konnte er nur so abfällig von ihr reden?
Brendan warf Aidan einen ärgerlichen Blick zu. »Ich will nicht, dass sie sich vor mir ekelt.«
»Und ich dachte, ihr beide hättet schon viel Schlimmeres zusammen durchgestanden, als dass sie deine Arbeit als Rattenfänger groß erschüttern könnte!«, stichelte Aidan Macaulay.
Brendan machte eine unwillige Handbewegung. »Was hat denn das damit zu tun?«
Éanna legte ihre Hand auf seinen Arm. »Was immer es ist, was du als Rattenfänger tun musst, Brendan, ich werde mich ganz sicherlich nicht vor dir ekeln!«, versicherte sie.
»Also gut«, sagte Brendan widerwillig. »Du musst wissen, dass es in dieser Konservenfabrik einen Haufen Löcher in den Wänden
Weitere Kostenlose Bücher