Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
gibt, vor allem unten in den Kellerräumen, wo sich die Ratten verbergen.«
»Und wo sie sich vermehren wie die Kaninchen«, warf Aidan grinsend ein.
Brendan nickte mit grimmiger Miene und fuhr dann fort: »Die großen ausgewachsenen Biester sind schlau und lassen sich nicht so leicht fangen. Tja, und deshalb muss man nach den Nestern mit ihren Jungen suchen und erst einmal die herausholen. Manchmal stößt man dabei auf zehn bis fünfzehn junge Ratten. Und dann …« Er zögerte und schluckte.
Aidan verdrehte die Augen. »Mein Gott, stell dich doch nicht so an! Dann wirft man die verdammte Brut eben in einen Eimer mit kochendem Wasser und macht aus ihnen eine dicke, geleeartige Brühe. Und wenn die abgekühlt ist, schmiert man sich das Zeug auf die Hand und auf den Arm bis hoch zum Ellbogen und greift dann wieder in das Loch. Der Geruch lockt sofort die großen Ratten aus ihren tiefen Verstecken und dann kann man sie packen, herausziehen und totschlagen. So, das ist die Arbeit eines Rattenfängers!«
Éanna wurde bei der Beschreibung dieser ekelhaften Prozedur nun doch blass und verspürte ein würgendes Gefühl in der Kehle.
»Zum Glück gibt es ausreichend Schmierseife und eine Bürste. Damit wasche ich mir das Zeug hinterher ordentlich ab«, versicherte Brendan. Denn er sah ihrem Gesicht an, dass sie es bereute, ihn nach den Einzelheiten gefragt zu haben. »Aber hart verdient sind die sechs Pence schon. Und sowie ich irgendwo eine feste Arbeit finde, höre ich als Rattenfänger auf, das verspreche ich dir!«
»Du vergisst, dass du dir für jede besonders kräftige Ratte was dazuverdienen kannst«, erinnerte ihn Aidan. »Tim McCorry drüben in der Combe Street zahlt dir drei Pence für jede fette Ratte mit einem kräftigen Gebiss, die du ihm bringst. Er lässt in seiner Spelunke seine Hunde auf sie los und jeder kann wetten, wer wem die Gurgel durchbeißt. Und …«
»Es reicht, Aidan!«, fiel Brendan ihm schroff ins Wort. »Ich habe keine Lust, die wenige Zeit, die ich mit Éanna verbringen kann, mit diesem Rattenscheiß zu vergeuden!«
Aidan reagierte auf die Zurechtweisung mit einem spöttischen Augenzwinkern. »Habe schon verstanden, Kumpel. Du willst mit deiner kleinen Turteltaube allein sein«, sagte er und schlug ihm vertraulich auf die Schulter. »Will dann auch nicht länger stören. Muss mich jetzt sowieso auf die Socken machen. Also dann, bis später bei uns im heimeligen Kellerloch!« Und zu Éanna sagte er anzüglich: »Treibt es nicht zu wild, Herzchen!« Damit schlenderte er davon.
Éanna sah ihm mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. »Ein seltsamer Bursche, mit dem du dich da zusammengetan hast. Ist nicht gerade das, was ich einen angenehmen Freund nennen würde, wenn du mich fragst.«
»Dass er mein Freund ist, habe ich auch nicht behauptet«, erwiderte Brendan. »Wir helfen uns nur gegenseitig, das ist alles. Und wenn er auch ein recht raubeiniger Kerl ist, so ist er alles in allem doch ganz in Ordnung. Immerhin lässt er mich bei sich schlafen und hat sich für mich bemüht. Und er wird sich erkundigen, ob er für dich und Emily noch einen Platz auftreiben kann.«
»Das braucht er nicht mehr«, sagte Éanna. »Stell dir vor, ich habe gute Nachrichten, Brendan! Emily und ich werden sehr wahrscheinlich in der Spinnerei Maynard & Sons unten am Grand Canal arbeiten können.«
»Ist das wahr?«, stieß er freudig hervor und ergriff ihre Hand. »Wie habt ihr das denn angestellt?«
Ausführlich erzählte sie ihm von den beiden Plunkett-Schwestern und deren älterem Bruder, der ihnen aus Amerika Geld für ihre Überfahrt geschickt hatte. Und sie berichtete ihm von einem langen Gespräch, das Emily und sie am frühen Abend in der Pension mit Ria und Sarah Plunkett gehabt hatten.
»Sie haben uns wichtige Ratschläge für die Arbeit an den Maschinen gegeben. Aber vor allem haben sie versprochen, uns morgen früh mit in die Fabrik zu nehmen und ein gutes Wort bei Mister Cooley einzulegen. Er ist für die Einstellungen zuständig, zusammen mit der Oberaufseherin Elenore Paddington«, sagte sie. »Bei beiden sind sie gut angesehen, wie sie versichert haben, und das glaube ich ihnen auch. Ria und Sarah gehören nicht zu jenen Leuten, die den Mund vollnehmen und sich in ein falsches Licht setzen. Jedenfalls sind sie sehr zuversichtlich, dass wir mit ein wenig Glück ihre Arbeitsstellen bekommen.«
Brendan war begeistert. »Mein Gott, das wäre ja wunderbar, wenn wenigstens du schon eine feste
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