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Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Titel: Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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müssen, die genau jene englischen Staatsmänner, Generäle und Admirale verherrlichen, die uns ihre Knechtschaft aufgezwungen haben!«
    In den Blicken und Worten der Männer lag etwas, das Éanna gar nicht gefiel. Auch sie verabscheute die Fremdherrschaft der britischen Krone und ihre kaltherzige Tatenlosigkeit angesichts der unvorstellbar großen Hungersnot. Aber was sollte dieses hasserfüllte Gerede von Aufstand und Rebellion schon bringen? Hatte es nicht bereits genug Blutvergießen gegeben und hatte sich Irlands Schicksal seitdem zum Besseren gewandt?
    »Ich muss jetzt wirklich gehen, Mister O’Brien«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Es ist schon sehr spät für mich geworden und ich möchte nicht unpünktlich zum Essen zu Hause eintreffen.« Den Hinweis, dass sie über ein Heim verfügte und nicht irgendwo in einem Hauseingang übernachtete, hatte sie sich nicht verkneifen können.
    »Natürlich! Entschuldige, dass ich dich so lange in Beschlag genommen habe. Aber die Zeit ist wirklich wie im Flug vergangen, Éanna«, erwiderte er und holte ihre Sachen vom Sofa.
    Schnell warf sie sich ihren Umhang um. Mütze und Schal nahm sie in die Hand. Sie war lange genug den geringschätzigen Blicken der drei Männer ausgesetzt gewesen und wollte nur noch weg.
    »Nächsten Sonntag zur selben Zeit?«, raunte Mister O’Brien ihr zu, als er ihr die Tür öffnete.
    Éanna nickte wortlos.
    »Einen vergnüglichen Abend noch, Miss Sullivan!«, rief Delaney ihr spöttisch zu. »Und unsere Empfehlung unbekannterweise an Euren wiedergefundenen Verlobten!«
    Die anderen beiden lachten wie über einen besonders gelungenen Witz.
    Schnell und mit gesenktem Kopf huschte sie hinaus in den Flur. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel und sie kurz stehen blieb, um sich den Schal um den Hals zu schlingen, hörte sie, wie Mister O’Brien seine Freunde wütend anfuhr.
    »Was fällt euch arroganten Tölpeln bloß ein, euch so unmöglich aufzuführen und Miss Sullivan so von oben herab zu behandeln? Dieses anständige Mädchen hat mehr Charakter in ihrem kleinen Finger als einer von euch im Kopf. Und dazu hat sie in ihrem Leben schon mehr geleistet, als ihr drei zusammen wohl jemals zustande bringen werdet!«, herrschte er sie aufgebracht an. »Am liebsten würde ich euch …«
    Was er am liebsten mit ihnen getan hätte, bekam Éanna nicht mehr mit. Denn da eilte sie schon die Treppe hinunter. Sie konnte gar nicht schnell genug hinauskommen, um ihr erhitztes Gesicht in der kalten Luft zu kühlen.

Achtes Kapitel
    Ein mulmiges Gefühl beschlich Éanna, als sie sich am Abend auf den Weg zu Charley’s Shebeen machte. Schon bei Tag waren ihr die Liberties ein wenig unheimlich vorgekommen. Doch nach Einbruch der Dunkelheit wirkte das überfüllte Armenviertel auf sie noch um ein Vielfaches bedrückender und bedrohlicher, ja fast unwirklich, wie ein mit Rauch und Gestank erfülltes Labyrinth, ein Vorhof der Hölle auf Erden.
    Éanna hastete an baufälligen Gebäuden und finsteren, kaum gepflasterten Gassen und Höfen vorbei. Es stank nach Fäkalien, Urin und verfaulenden Abfällen. Hier waren die Ratten die wahren Herrscher. Wie ein Heer von blitzschnell hin und her huschenden Schatten bevölkerten sie das Viertel.
    An den Ecken der breiteren Straßen und vor den zahllosen Tavernen und Fuselstuben brannten Pechfackeln oder Teerfeuer in Steinschalen. Dort kauerten im Licht der flackernden Flammen Dutzende von halb nackten Gestalten, die ein paar Kartoffeln, alte Wollsocken oder sonst irgendwelchen Trödel zu verkaufen versuchten. Dirnen jeden Alters lungerten in Hauseingängen und Torbögen. Und schon zu dieser frühen Abendstunde wankten betrunkene Männer und Frauen durch die Straßen. Sie gehörten zu jenen glücklichen Elenden, die ihren kümmerlichen Lohn sogleich in billigen Gin, Branntwein und Bier umgesetzt hatten, um ihren Kummer zu ertränken.
    Éanna konnte kaum glauben, dass sie erst vor wenigen Stunden in Mister O’Briens luxuriöser Wohnung gesessen und Tee aus kostbaren Porzellantassen getrunken hatte. Es war, als hätte sie eine weite Reise gemacht, und doch befand sie sich immer noch in derselben Stadt.
    Schnellen Schrittes eilte sie die Meath Street hinunter. Ihr Blick suchte auf beiden Seiten der Straße nach Brendan, konnte ihn aber nirgends entdecken. Kurz bevor sie die Straßenkreuzung erreichte, wo die Meath auf die berüchtigte Combe Street stieß, sprach sie einen alten Mann an. Er saß vor einem Mietshaus auf einem

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