Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
die Steuerbordreling hinaus. Ihr Gewicht, verstärkt durch die Hebelwirkung, versetzte der Bark kurze Zeit später den Todesstoß. Die Masten stürzten wie gefällte Bäume ins Meer, peitschten beim Aufschlag das Wasser auf und rissen jeden in die Tiefe, der von Takelage, Rahen und Segeltuch unter die Oberfläche gedrückt wurde.
Wie ein von Harpunen tödlich getroffener Wal drehte sich der leckgeschlagene Rumpf der Metoka auf die Seite, sodass ihr Kiel in die Luft aufragte. Wasser strömte durch alle Luken und das Schiff sank mit einer Schnelligkeit, die kaum einer der Überlebenden für möglich gehalten hätte. Dicke Luftblasen stiegen blubbernd aus der Tiefe auf und brachten die Wasseroberfläche für eine Weile zum Brodeln. Dann verriet nur noch ein weites Trümmerfeld aus herumtreibendem Segeltuch, Planken, Kojenstücken, Kleidern, Tonnen, Kisten und anderen Dingen, dass hier vor wenigen Augenblicken noch ein stolzer Dreimaster in der See gelegen hatte.
Éanna hatte ihren Blick abgewandt. Wieder strömten ihr die Tränen über das Gesicht und ihr kam in den Sinn, dass das Schicksal etwas war, dass sie niemals würde verstehen können.
Sie schlug ein Kreuz und begann, leise das Vaterunser zu beten.
Und nach und nach fielen die Einwanderer auf dem Boot in ihr Gebet ein.
Sie beteten für die Verstorbenen.
Und für ihr eigenes Leben.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Die Nacht kam schnell und der auffrischende Wind brachte eine Kälte mit sich, die den vierzehn dicht gedrängt sitzenden und zwischen den Bänken kauernden Schiffbrüchigen durch Mark und Knochen ging. Laternen flammten auf den Booten und Flößen auf, die wie verlorene Irrlichter im Gewoge der Wellen auf und ab tanzten und sich immer weiter voneinander entfernten. Die beiden größeren Beiboote, von denen Captain Crimshaw eines kommandierte, verfügten über einen kleinen Notmast. Dieser wurde rasch errichtet und das Segel hochgezogen.
»Da segelt er dahin, unser ehrenhafter Captain Crimshaw!«, rief Éanna verächtlich, als die beiden Boote westlichen Kurs einschlugen und sich nicht darum kümmerten, was aus den anderen Schiffbrüchigen wurde. »Immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht!«
»Hast du denn etwas anderes erwartet?«, fragte Emily und bibberte trotz ihres Umhangs im eisigen Nachtwind.
»Er ist eine Schande für seinen Berufsstand!«, pflichtete ihnen Kathleen bei, die wie sie das Glück gehabt hatte, mit ihrer Tochter Peggy im rechten Moment an der richtigen Stelle der Reling gewesen zu sein. »Verflucht soll er sein! Für seine Feigheit und dass er nicht schon viel eher damit begonnen hat, Vorbereitungen für die Aufgabe der Metoka zu treffen! Wie viele mehr hätten gerettet werden können, wenn er den Befehl nur einen Tag eher gegeben hätte!«
Auch Jason, Dave und der andere Seemann an Bord waren wütend, dass ihr Captain erst gar keinen Versuch unternommen hatte, die Flöße und Beiboote zusammenzuhalten. Sie und einige andere Männer, für die es noch Ruder gab, legten sich kräftig ins Zeug, um dem Kurs von Caleb Crimshaw zu folgen und sein Laternenlicht an der Mastspitze nicht aus den Augen zu verlieren. Aber der Wellengang kostete zu viel Kraft, auch wenn sich die Männer an den Riemen abwechselten. Und noch lange vor Mitternacht verschwanden die beiden schwächer werdenden Lichtpunkte in der nächtlichen Dunkelheit.
Die Schiffbrüchigen durchlebten eine Nacht der Angst und der folgende Tag war auch nicht besser. Im Gegenteil, denn die Wellen wurden höher und die Täler tiefer. Und wenn auch kein Sturm aufkam, so sorgte der Seegang doch dafür, dass unablässig eisiges Wasser ins Boot drang. Mit ihren Händen, mit Bechern und mithilfe einer Lederpütz, die zur Notausrüstung gehörte, mussten sie das zwischen ihren Füßen hin und her schwappende Wasser aus dem Boot schöpfen und über Bord kippen.
Es war eine endlose, kräftezehrende Arbeit. Zudem machte sich inzwischen bei allen der Durst bemerkbar. Denn Jason hatte darauf bestanden, jedem nur das eben Notwendigste an Trinkwasser zu erlauben, und dagegen hatte keiner Widerspruch erhoben. Jeder wusste, dass ihre Odyssee noch viele Tage, wenn nicht gar Wochen dauern konnte und das Wasser nicht schon in den ersten Tagen und Nächten vergeudet werden durfte.
Erst im Laufe der zweiten Nacht beruhigten sich die Wellen allmählich, sodass endlich an ein wenig Schlaf zu denken war. Und erschöpft, wie sie alle waren, sanken sie wie Marionetten, deren Zugfäden plötzlich
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