Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
passiert, wird auch nichts geschehen.«
Éanna blickte sie ernst an. »Gebe Gott, dass mich das Schicksal nicht so schnell wieder in die Verlegenheit bringt, das noch einmal zu beweisen«, erwiderte sie und sagte mit einem Seitenblick auf Patrick, der vor ihnen schon eine der herabbaumelnden Strickleitern gepackt hatte: »Aber was immer auch kommen mag, ich werde nie vergessen, was ein kluger und großherziger Mann mir vor gar nicht langer Zeit gesagt hat – nämlich dass die Hoffnung als Letztes stirbt!«
Sie hörte, wie Patrick leise auflachte und schon im Hinaufklettern spöttisch murmelte: »Das muss er aus dem Buch eines noch viel klügeren Mannes haben, der tatsächlich gelebt hat, was ihm aus der Feder geflossen ist.«
Wenig später erklomm Éanna hinter Emily die Strickleiter. Oben an der Reling erwarteten sie kräftige Hände, die beherzt zugriffen und ihnen an Deck halfen.
Als sie sich umblickte und Brendan in der Menge suchte, sah sie ihn zusammen mit Patrick oben auf dem Vorschiff. Patrick hatte ihn offensichtlich sofort von den anderen weggezogen, um die Gelegenheit für ein Gespräch unter vier Augen zu nutzen. Und diesmal weigerte Brendan sich nicht, ihn anzuhören. Er konnte gar nicht anders nach dem, was Patrick für ihn getan hatte. Mit gesenktem Kopf stand er vor dem Mann, den er als vermeintlichen Verführer seiner Liebsten verabscheute, dem er aber auch sein Leben verdankte.
»Siehst du das?«, stieß Emily aufgeregt hervor, obwohl sich diese Frage erübrigte, war sie doch erst durch Éannas Blick auf die beiden aufmerksam geworden. »Sie sprechen miteinander, Éanna! Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Und heute sogar zwei Wunder auf einen Schlag!«
»Ja, aber da spricht nur einer und das ist Patrick«, erwiderte Éanna, die versuchte, sich keine Illusionen zu machen. Dass Brendan sich anhörte, was Patrick ihm zu sagen hatte, war wohl das Mindeste, was er ihm schuldete. Ob er ihm seine Worte aber auch glaubte, stand auf einem ganz anderen Blatt.
»Aber dein Dickschädel Brendan hört ihm endlich zu! Und sieh doch, wie er nur dasteht!«, raunte Emily. »Wie ein kleiner Junge, der sich eine Strafpredigt anhört, von der er weiß, dass er sie verdient hat!«
»Gebe Gott, dass er es auch so empfindet!«
»Aber mach es ihm bloß nicht so leicht, wenn er nachher mit eingezogenem Schwanz ankommt und sich bei dir mit einer lauen Entschuldigung von seinem unmöglichen Betragen reinwaschen will!«, mahnte Emily. »Denk an die Ohrfeige, die er dir verpasst hat! Also lass ihn ruhig eine Weile in seinem eigenen Saft schmoren, damit er begreift, was er dir angetan hat und dass er sich so etwas dir gegenüber nie wieder herausnehmen darf!«
Éanna versprach es ihr, wusste jedoch nicht, ob sie das auch wirklich tun würde. Zu stark war ihre Sehnsucht nach einer Versöhnung mit Brendan.
Dreiunddreißigstes Kapitel
Die Ungewissheit, ob Patrick bei Brendan etwas erreicht hatte, quälte Éanna noch die ganze nächste Stunde. Denn so lange dauerte es, bis die Namen der Schiffbrüchigen der Liste der anderen Geretteten hinzugefügt worden waren und sie wussten, wo sie im Zwischendeck für den Rest der Reise, die gottlob auch nach New York ging, ihren Schlafplatz hatten.
Zwar war das Quartier der Auswanderer auf einem amerikanischen Schiff wegen der viel strengeren Vorschriften nicht so dicht belegt wie auf den britischen. Aber die Aufnahme von so vielen Schiffbrüchigen führte unweigerlich dazu, dass es im Zwischendeck noch gedrängter zuging als auf der Metoka. Gut dreißig Auswanderern blieb nichts anderes übrig, als nachts auf den Planken der Mittelgänge zu schlafen.
Als das Schiff wieder unter Vollzeug durch die See schnitt, ließ Gregory Richardson, der hochgewachsene Captain der Boston Glory, erst einmal heißen Tee und eine vom Schiffskoch in aller Eile zubereitete kräftige Stärkung an seine neuen Passagiere austeilen.
Während dieser Mahlzeit, die sie an Deck einnahmen, setzte sich Patrick kurz zu Éanna. »Du hast ja gesehen, dass ich mit Brendan gesprochen habe«, teilte er ihr mit gedämpfter Stimme mit.
Sie nickte und sah ihn dankbar an.
»Ich habe mein Bestes gegeben, um ihn davon zu überzeugen, dass während unserer sonntäglichen Treffen nichts zwischen uns vorgefallen ist, was deine Ehre hätte beschmutzen können und ihm Grund gegeben hätte, den Stab über dich zu brechen«, fuhr er fort. »Ich muss zugeben, dass es mir nicht gerade leichtgefallen ist, ihm zu sagen, dass
Weitere Kostenlose Bücher