Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
erschlafften, in sich zusammen.
Als der zweite Morgen heraufdämmerte, lag Éanna in einer Art schmerzerfülltem Dämmerschlaf und mit verkrümmten Gliedern halb auf der Bank, halb auf den Planken des Bootes. Die Leiber der vierzehn Männer und Frauen bildeten ein ineinander verschlungenes Gewirr von Gliedmaßen, dass man auf den ersten Blick nicht hätte sagen können, zu wem dieser Arm oder jenes Bein gehörte.
Plötzlich zerriss ein Schrei die Stille des jungen Morgens. »Segel! … Segel am östlichen Horizont!«, gellte die Stimme, die sich vor Aufregung förmlich überschlug und alle anderen im Boot hochfahren ließ, sodass das Ruderboot fast zu kentern drohte. »Dort drüben! Drei Strich achtern an Steuerbord!«
»Jeder auf seinen Platz!«, brüllte Jason und bewahrte das Beiboot durch eine schnelle Gegenbewegung mit der Ruderpinne vor dem Leckschlagen.
»Allmächtiger!«, rief jemand mit einem Stoßseufzer der Erlösung. »Der Herr hat Erbarmen und schickt uns Rettung!«
Die Schiffbrüchigen brachen in Jubel, Lachen und Tränen aus, als sich über der südöstlichen Kimm immer mehr Segel zeigten und sich schließlich die Umrisse eines Dreimasters deutlich vor dem Licht des neuen Tages am Horizont abzeichneten. Schlagartig waren die schmerzenden Glieder und die Tage und Nächte der Angst vergessen.
Éanna fiel ihrer Freundin vor Freude um den Hals. Und als ihr Blick zu Brendan ging, erwiderte er ihn mit einem zaghaften Lächeln. Es war das erste offene Lächeln seit jenem unglückseligen Sonntagnachmittag vor dem Haus in der Dorset Street, das er ihr schenkte.
»Legt euch in die Riemen!«, schrie Jason den Männern an den Ruderbänken zu. »Wir müssen näher an den Kurs heran, den das Schiff steuert, wenn sie uns bemerken sollen!«
Es hätte dieser Aufforderung nicht bedurft, um die Männer an den Rudern zu höchster Kraftanstrengung anzutreiben. Sie wussten, dass sie die Distanz zu dem Schiff wesentlich verkürzen mussten, bevor es wieder aus ihrer Sicht verschwinden konnte.
Zu ihrem Glück segelte der Dreimaster auf einem südwestlichen Kurs, was bedeutete, dass sich das Schiff und das Beiboot der Metoka auf einem immer enger werdenden Winkel aufeinanderzubewegten, solange die Ruderer mit aller Kraft die Riemen durch das Wasser zogen und auf einen imaginären Schnittpunkt der beiden Kurse zuhielten.
»Das ist ein Yankeeschiff!«, schrie der Seemann Dave, als bald nähere Einzelheiten von Rigg und Decksaufbauten des Dreimasters auszumachen waren. »Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht die Boston Glory ist! … Ja, das ist sie! … Seht doch nur die bunte Gallionsfigur mit der goldwallenden Mähne!«
»Gottlob ein Amerikaner!«, rief jemand am Heck erleichtert und mit einem bitterbösen Seitenhieb auf die drei britischen Seeleute. »Die behandeln einen nicht wie Vieh so wie die verfluchten Engländer!«
Die Schiffbrüchigen brachen in lautes Geschrei aus, als sie glaubten, dass Besatzung und Passagiere an Deck der BostonGlory sie schon hören konnten. Und einer der Männer richtete sich am Bug auf und schwenkte wie wild seine Jacke.
Für eine Weile schien es so, als würde sie keiner bemerken und das Schiff unbeirrt seinen Kurs fortsetzen. Doch dann sahen sie, wie Seeleute die Takelage aufenterten, um ein Teil der Segel zu reffen.
»Sie dreht bei!«, schrie Jason, der das Kommando an Bord der Boston Glory als Erster richtig zu deuten vermochte. »Sie dreht bei! Sie haben uns gesehen!«
Der Dreimaster schwenkte Augenblicke später herum und glitt mit rasch abnehmender Geschwindigkeit auf ihre Position zu. Jetzt hatten sie die Gewissheit, gerettet zu sein!
Als die Boston Glory ruhig in der See lag und die Ruderer das Beiboot längsseits brachten, hatte sich auf der ihnen zugewandten Backbordseite schon eine große Menschenmenge an der Reling eingefunden.
Éanna und auch die anderen erblickten unter ihnen viele bekannte Gesichter von der Metoka. Wie sich später herausstellte, waren es neunundsiebzig Seeleute und Passagiere, die den Untergang der Bark auf einigen der Flöße überlebt hatten und schon am Abend zuvor von der Boston Glory gerettet worden waren.
»Du hältst wirklich Wort, Éanna«, sagte Emily, der in ihrem Überschwang der Gefühle sogar wieder zum Scherzen zumute war, und drückte den Arm ihrer Freundin. »Wenn du etwas versprichst, dann kann man sich darauf verlassen. Ich werde nie mehr an deinen Worten zweifeln. Wenn du sagst, du lässt nicht zu, dass uns etwas
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