Earth Girl. Die Prüfung
in einem Vid sahen, ziemlich sicher war ich mir jedoch, dass sie nicht einfach herumsitzen würden, während Zivilisten es taten. Ich sprang also auf, nahm Haltung an und salutierte.
Die anderen Studenten warfen sich verwunderte Blicke zu. Fian und Dalmora standen ebenfalls auf und schlossen sich der Ehrenbezeugung an. Auch einige andere erhoben sich zögerlich, während die Artemisgedenkstätte von den Gesichtern und Namen der vier Militäropfer abgelöst wurde. Jedes Gesicht füllte einen Moment lang den Bildschirm, ehe es kleiner wurde und in einem zweigeteilten Bild neben einem Ausschnitt aus der entsprechenden Ehrenzeremonie gezeigt wurde. Bei Nummer vier tauchte nur das Bild einer Gedenktafel an der Wand der Militärakademie auf. Vermutlich hatte derjenige keine Angehörigen, deshalb gab es keine Zeremonie.
Am Ende hatten sich Playdon und die gesamte Klasse bis auf einen erhoben und salutierten. So verblieben wir, bis das letzte Bild vom Monitor verschwunden war.
«Das war ja reinste Militärpropaganda», verkündete Krath, der Klassenzyniker und der Einzige, der noch auf seinem Stuhl saß.
Lolia drehte sich nach ihm um. «Sei still! Unsere Clans sind von Artemis!»
In diesem Moment schätzte Krath die Situation offensichtlich ganz falsch ein, denn er nahm an, dass bei einem Streit zwischen ihm und Lolia der Rest der Klasse gegen den gemeinsamen Feind von Beta auf seiner Seite stünde. Doch er täuschte sich.
Die Menschen sind manchmal schon komisch. Erst vor ein paar Tagen hatte Playdon uns Vorträge über das zwanzigste Jahrhundert gehalten. Krieg, Krieg und Langeweile. In diesen Kriegen sind Millionen von Menschen gestorben. Sie haben mehr Leben zerstört, als man sich nur vorstellen kann, doch das hatte uns völlig kaltgelassen. Es lag nicht nur daran, dass es schon Hunderte von Jahren her war, sondern auch daran, dass diese Größenordnung einfach unbegreiflich war. Millionen von Menschen sind gestorben, aber es handelte sich um unbekannte Millionen in einem Krieg, der für uns keine persönliche Bedeutung hatte.
Die Krise auf Artemis war hundertdreißig Jahre her. Tausende von Menschen auf dem Planeten wurden damals durch den Energiestrahl getötet, und offensichtlich bedeutete uns das nicht ganz so viel wie Lolia und Lolmack, doch immerhin spürten wir alle, wie schrecklich es war. Alle Planeten bezogen ihre Energie über ihre Solarstationen im All. Alle Planeten verfügten über einen gigantischen Energiestrahl, der ihre Versorgung sicherte. Auf der Erde waren es sogar fünf, einer für jeden Kontinent. Jeder von uns konnte sich sehr gut ausmalen, was genau ein gigantischer Energiestrahl aus dem All anrichten konnte, wenn man ihm in unserer Heimatwelt freien Lauf ließe. Das war wirklich furchterregend, und ich persönlich war ausgesprochen froh zu wissen, dass das Militär dort oben war und die Stationen vor Verrückten wie Ceron beschützte.
Also konnten wir uns alle vorstellen, wie es auf Artemis gewesen sein musste. Diese Militärraumschiffe waren gekommen, um den Rest der Bevölkerung zu retten, und der Tod der vier Soldaten hatte die Studenten ziemlich berührt. Sie waren keine gesichtslosen Millionen aus irgendeinem weit zurückliegenden Krieg. Sie waren noch nicht einmal wie die 47000 , die uns zwar etwas bedeuteten, aber gleichzeitig aufgrund der großen Zahl anonym blieben. Aus dem Militär waren es nur vier Menschen, wir hatten ihre Gesichter vor Augen gehabt und ihre Namen gelesen. Wir hatten eben ihre Neffen, Nichten oder Enkel bei der jeweiligen Ehrenzeremonie gesehen. Deshalb waren sie für uns echt. Krath bewegte sich auf dünnem Eis.
Statt sich zurückzuhalten und sich zu entschuldigen, ritt er sich jedoch immer tiefer rein. «Ach, kommt schon, seid doch mal realistisch. Das Ende war absolut lächerlich mit diesen Ehrenzeremonien. Mein Dad sagt, das ist sowieso alles Blödsinn, weil es nie wirklich passiert ist und …»
Das reichte. Als Lolia sich vor Krath aufbaute, hatte sich die Klasse gegen ihn verbündet.
«Wenn du weiterhin in der Lage sein willst, Kinder zu zeugen, du Clanloser, dann zeig gefälligst etwas Respekt!», befahl Lolia.
Wir anderen hätten vermutlich nicht genau dieselben Worte gewählt, aber sinngemäß waren wir ganz ihrer Meinung. Und wir waren auch ganz und gar nicht einverstanden, als Krath daraufhin Lolia abwehrend von sich wegschubste, sodass sie fast nach hinten fiel.
Lolmack war nicht nur unglücklich darüber, er war fuchsteufelswild. «Lass
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